Ein weiterer Tag in Leuven

Dienstag, 4. April 2023

Hallo Freunde,

gestern war ich den ganzen Tag in Leuven für diverse Untersuchungen und eine Konsultation mit Dr. Philippe Nafteux. Der freute sich über meine gut fortschreitende Genesung und bestätigte mir, dass mein Krebstumor bei der OP vom 8. März „sauber“ herausgeschnitten worden ist, d.h. dass die Ränder keine Krebszellen enthielten.

Sie haben ein Foto des herausgeschnittenen Stücks gemacht. Darauf sieht man unten Magenhaut, oben das glatte Stück ist Speiseröhre, und der „Krater“ unterhalb der Speiseröhre ist die Narbe des Tumors. Dieses Stück haben sie dann histologish untersucht. 46 Lymphknoten waren darin, 2 davon hatten Spuren vom Krebs. Der Krebs war noch nicht ganz weg: im Krater waren auch noch bösartige Zellen. Ich fragte ihn, ob man die Operation nicht doch hätte vermeiden können: wenn die Chemotherapie noch 2 Monate länger gelaufen wäre, wären doch vielleicht auch diese letzten Zellen ganz weg gewesen? Aber erstens ist das Spekulation und zweitens mussten wir ja handeln, bevor wir wussten, was wir jetzt wissen. Meine Speiseröhre ist leider weg und wird nicht wiederkommen. Also ich muss mir angewöhnen, zwei Stunden vor dem Schlafengehen nichts mehr zu essen. Ich schätze, dass das zu schaffen ist.

Auch die Leuvener Ärzte wollen mir eine „abschließende“ Therapie verabreichen, um „auf Nummer sicher“ zu gehen. Das hatte ich schon befürchtet, denn das wird immer so gemacht. Aber erfreulicherweise darf ich wählen zwischen Chemo- und Immuntherapie. Ich habe sogleich gesagt, dass ich mich wenn irgendwie möglich für letztere entscheide. Die dauert länger, aber hat weniger Nebenwirkungen. Vorigen Donnerstag hatte mir ein Freund erzählt, wie vor einigen Jahren ein junger Mann nach einer Rückmarktransplantation eigentlich überm Berg war und dann just in der zweiten Chemo an einer Lungenentzündung gestorben ist.

Nächste Woche habe ich eine weitere Konsultation mit Dr. Eric van Cutsem höchstpersönlich. Die spannende Frage ist jetzt, ob die Leuvener Ärzte einen administrativen Weg finden, damit ich die Abschlusstherapie in Estland machen kann. Denn noch ein ganzes Jahr in Belgien bleiben zu müssen, das fände ich hart. Seit der Operation spüre ich, wie meine Seele sich wieder „nach Hause zurück sehnt“ (vor vier Jahren beim Sängerfest sang ich diese Worte noch relativ unbefangen mit, inzwischen hätte ich mehr Emotionen dabei).

Im letzten Rundbrief hoffte ich noch, schon Anfang Juni wieder nach Estland zurück zu können. Inzwischen tippe ich eher auf Juli. Ich versuche inzwischen auch nicht mehr, in Belgien krankenversichert zu bleiben. Das zweite Wunder hat sich noch nicht erfüllt, stattdessen hat sich meine Ungeduld beruhigt: Rumma & Ko funktioniert ja, wir sind eine kleine, aber stabile Gemeinschaft und haben es gut miteinander. Gott hat ja auch keine Eile.

Foto: Couvenplatz im Eupener Stadtteil Nispert an einem ruhigen Mittwochmittag.

Liebe Grüße aus Nispert

Luc

Diesen Rundbrief habe ich per E-Mail an alle verschickt, die in meiner Freundesliste stehen.

Rückmeldungen

  • Mehrere Freunde fragten nach dem Essen. Essen schmeckt wieder normal, aber ich muss mich zwingen, denn ich habe kein Hungergefühl und folglich keine Lust auf Essen. Ich kann schon alles wieder essen, aber immer nur recht wenig auf einmal. Noch zwei Wochen lang lasse ich mir jede zweite Nacht über PEJ-Sonde einen Liter künstliche Nahrung in den Dünndarm pumpen.

  • Allgemeines Befinden. Ich merke schon deutlich, dass das nicht nur eine Grippe war, von der ich mich da erhole. Bin körperlich noch sehr schwach. Wenn ich die zwei Etagen bis in mein Schlafzimmer hochgestiegen bin, muss ich mich erst mal aufs Bett setzen und wieder zu Atem kommen wie ein alter Mann. Aber jeden Tag geht es ein bisschen besser. Seit Montag habe kein Schmerzmittel mehr gebraucht. Am Mittwochmorgen hatte ich die 1,7 km von der Bergkapelle nach Nispert zu Fuß spaziert und das war dann doch etwas zu viel, danach hatte ich wieder innere Schmerzen.

  • Ein Freund schrieb „Es freut mich, dass soweit alles geklappt hat. Gut, nichts ist perfekt (siehe Speiseröhre) aber es hätte auch ganz anders ausgehen können, und das war ehrlich gesagt ein bisschen meine Befürchtung.“

    Meine Antwort: Ja, die Befürchtungen bzw. Ängste sind wahrscheinlich das größte Problem bei allen Krankheiten. Und man kann Ängste ja nicht kontrollieren nach dem Motto „Ich will keine Angst haben, also habe ich keine“. Ich selber kann nur erstaunt und dankbar feststellen, dass ich zu keinem Zeitpunkt „Angst“ hatte. Dank sei Gott :-)