Ostern 2023 in Eupen

Dank meines Magenkrebses durfte ich das Osterfest nach zwanzig Jahren „Wüstenalltag“ noch einmal an den Quellen meines Glaubens auftanken und Kirche einfach über mich ergehen lassen.

Drei Messen

Seit 1985 beginnt der Ostern in Eupen um 6 Uhr morgens mit einer Messe unter freiem Himmel auf der „Kornei“, einer Anhöhe am östlichen Stadtrand. Auch dieses Jahr fanden sich über 200 Teilnehmer ein. Ich mache da aus geografischen Gründen natürlich schon seit 20 Jahren nicht mehr mit. Dieses Jahr hätte ich theoretisch dabei sein können, habe es aber trotzdem vorgezogen, im Warmen zu bleiben. Zwei Stunden lang im Kalten stehen ist noch nichts für mich. Seit der Operation geht es mir jeden Tag ein bisschen besser, aber ich merke doch deutlich, dass das mehr als eine Grippe war, von der ich mich erholen muss. Paul Hekermann dagegen war dabei und hat ein paar Fotos gemacht:

Ich selber ging zur Ostermesse um 10.30 Uhr in der Unterstadt. Dort durfte ich bei den „Sonntagskindern“ mitsingen, obwohl ich nicht geprobt hatte. Ja, die Unterstädter sind schon immer unkomplizierter gewesen als die Oberstädter. Die Kirche war proppevoll. Diesmal war zudem auch der Marienchor zu Gast, so dass es im Altarraum richtig eng wurde. Das folgende Foto verstößt möglicherweise gegen den Datenschutz, aber ich kann doch nicht nicht jeden einzelnen um Erlaubnis fragen! Und andererseits kann ich es euch doch nicht vorenthalten!

Auch heute morgen war ich wieder zur Messe. Diesmal in der Nisperter Kapelle, die bequemerweise gleich gegenüber meiner Wohnung liegt. Ein ganz anderes Publikum. Der Schützenverein war angetreten. Fähnrich und Schützenkönig haben die ganze Messe lang gestanden, und bei der Wandlung beugte der Fähnrich die Fahne vor dem Geschehen am Altar. Auch hier volles Haus.

400 Jahre alter Humor

Um Ostern werden in der Kirche frõhliche Lieder gesungen. Eines davon fiel mir angesichts des subtilen Humors auf. Ein Text von Friedrich Spee aus dem Jahre 1623:

Lasst uns erfreuen herzlich sehr,
Maria seufzt und weint nicht mehr,
verschwunden sind die Nebel all,
jetzt glänzt der lieben Sonne Strahl.

Wo ist, o freudenreiches Herz,
wo ist dein Weh, wo ist dein Schmerz?
Wie wohl ist dir, oh Herz, wie wohl,
nun bist du aller Freuden voll.

Sag an Maria, Jungfrau rein,
kommt das nicht von dem Sohne dein?
Ach ja: Dein Sohn erstanden ist,
kein Wunder, dass du fröhlich bist.

Wer sich das anhören will, den verweise ich auf eine Aufnahme des Augsburger Vokalensembles.

Eine Wüste des Glaubens

Vor einigen Tagen schrieb ich einem Freund in Estland „Hier in Belgien ist der Ostermontag ein Feiertag, und der Karfreitag stattdessen ein normaler Arbeitstag. Das finden Ly und ich gut, weil Jesu Auferstehung doch wichtiger ist als sein Tod am Kreuz.“ Seine erstaunte Antwort: „Oh, ich dachte, dass Karfreitag und Ostern das Gleiche seien! Großmutter hat mir den Unterschied auch nicht erklärt.“ Wenn ich Bischof wäre, würde ich mich dafür einsetzen, den Ostermontag auch in Estland zum Feiertag zu erheben.

Ja, die Kirche hat es schwer in Estland, nicht nur wegen des fehlenden Feiertags. Auch zum Beispiel sprachlich: Das Wort für „Ostern“ hat in Estnisch sechs(!) Silben: ülestõusmispühad. Das Christentum wird selbst von den Christen „Kreuzglaube“ (ristiusk) genannt, die Christen „Kreuzmenschen“ (ristiinimene), das Wort für „Taufe“ (ristimine) bedeutet grammatisch betrachtet eigentlich „Kreuzigung“. Kein Wunder, dass selbst wohlwollende Menschen damit nichts zu tun haben wollen.

Das größte Problem der Kirche in Estland ist aber wahrscheinlich ein Pharisäerdenken wie es im Buche steht und ein vorkonziliares Verständnis des Evangeliums. Der Erzbischof der Lutheraner hatte doch tatsächlich vor den Parlamentswahlen in der landesweiten Kirchenzeitung einen „Wahlkompass“ geschrieben, in dem er jede Partei bewertete. Und natürlich war sein Augenmerk darauf gerichtet, wie sehr jede Partei sich für „die christlichen Werte“ einsetzt. Die einzige Partei, die nur Lob bekam, war die rechtskonservative Volkspartei! Und –oh Gott!– „Der Wunsch der Sozialdemokraten, die Etablierung einer geschlechtsneutralen Ehe zu beschleunigen, berücksichtigt weder die Überzeugungen eines großen Teils der estnischen Bevölkerung noch die religiösen Lehrpositionen der großen Weltreligionen zu Ehefragen.“ Original in Estnisch / automatische Übersetzung.

Der Bischof der Katholiken ist diplomatischer, aber sagt im Grunde das Gleiche, weil er nicht dagegen redet. Beide Bischöfe kenne ich persönlich und schätze sie als Menschen. Für beide bete ich im Sinne der Seligpreisungen des Bischofs

Eine Bekannte von mir erwägt seit besagtem Artikel, öffentlich auszutreten aus der EELK. Aber auch sie spürt das Problem, dass es keine Alternative gibt. Ohne Kirche kann es nicht gehen.

Ich selber bleibe in Wartestellung. Ich sehe momentan keine andere Lösung, als dass der Papst Rom verlässt und eine neue Institution gründet, die tatsächlich alle Menschen guten Willens anspricht. Wie ich schon in The naked Pope schrieb. Scheinbar für die meisten Katholiken eine völlig unvorstellbare Vision.

Ostermontag, 10. April 2023