Sonntag, 15. Dezember 2024

In der Kirche mache ich weiterhin „Minimumprogramm“, d.h. ich erfülle meine Sonntagspflicht. Auf dieses kostenlose lebenslange Selbstfindungstraining will ich nicht verzichten.

Heute morgen ging ich für 11.30 Uhr zum Hochamt in der Kathedrale. Das Hochamt mag ich zwar eigentlich nicht, weil es mir zu pompös ist, aber an diesem Sonntag störte es zeitlich am wenigsten unser Familienleben. Unterwegs erfuhr ich, dass heute auch Kindermesse war. Die findet einmal im Monat zeitgleich zum Hochamt statt und hat gegenüber diesem mehrere Vorteile: sie ist nicht so pompös, deutlich kürzer, und ich verstehe die Predigt. Das folgende ist jetzt nicht die heutige Predigt, sondern vielleicht eher davon inspiriert.

Der dritte Adventssonntag wird in der Kirche „Freut-euch-Sonntag“ (Gaudete) genannt. Dabei war erst zwei Wochen zuvor vom Weltuntergang die Rede, dass „die Völker auf der Erde bestürzt und ratlos sein werden“ und die Menschen „vor Angst vergehen werden in der Erwartung der Dinge, die über den Erdkreis kommen“. Solche Inhalte (wenn sie gekonnt dargestellt werden) sind beliebt in den Internetkneipen, weil sie Emotionen auslösen. Aber heute morgen in der Kirche rief uns Paulus zu: „Freut euch im Herrn zu jeder Zeit!“ und „Sorgt euch um nichts“. Damit bekäme er auf Facebook bestenfalls ein paar freche Bemerkungen im Stil „Träum mal schön weiter“, denn wie soll man sich in so einer Welt freuen und keine Sorgen machen. Also stellen wir heute noch genau die gleiche Frage wie die Leute damals Johannes den Täufer: „Was sollen wir also tun?“ Und seine Antwort ist interessant: „Wer zwei Gewänder hat, der gebe eines davon dem, der keines hat, und wer zu essen hat, der handle ebenso!“ Also um sich freuen zu können, braucht man keine Heldentaten zu vollbringen und keine Reichtümer anzuhäufen, sondern muss lernen, etwas abgeben von dem, was man im Überfluss hat. Dieses Abgeben ist bei weitem nicht so einfach wie es sich anhört und ist ein lebenslanger Lernprozess. Unsere Weihnachtsgeschenke sind nur ein Symbol dafür.

Ob dieses wöchentliche Glaubenstraining so wichtig ist, weiß ich nicht. Aber ich stelle mir schon die Frage, weshalb manche Leute viel Zeit und Geld investieren für Gesundheit, Bildung und Kultur, und sich im Grunde ihres Herzens dennoch unzufrieden fühlen, während ich hier ganz ohne eigenen Verdienst mein Leben genieße und sogar eine Krebserkrankung als Abenteuer erlebe. Und ich vermute, dass das die langfristige Heilwirkung der Kirche ist. Aber beweisen kann man das nicht, Gott ist größer als jede Wissenschaft.