Entschuldigung? Verzeihung!

Freitag, 29. November 2024

Scheinbar sind viele Menschen deutscher Sprache nicht fähig, einen Unterschied zwischen Entschuldigung und Verzeihung zu erkennen. „Du musst dich entschuldigen!“ sagt eine Frau zu dem Kind, das einen Passanten angerempelt hat. Und sogar ein Buchautor, der es doch wissen müsste, schreibt „Ein ausgeprägter Narzisst kann sich nicht aufrichtig entschuldigen, er ist unfähig, Bedauern oder Reue zu zeigen.“

Hallo? Wenn du zu einem Termin nicht kommen konntest, weil du krank warst, dann entschuldigst du dich mit einem ärztlichen Attest. Sich entschuldigen bedeutet sich seiner Schuld zu entledigen, dem anderen zu zeigen, dass man keine Schuld hat. Wenn du den Termin aber einfach nur verschlafen hast, dann hast du eben keine Entschuldigung, sondern willst deine Schuld eingestehen und um Verzeihung bitten. Entschuldigung ist dann schlicht das falsche Wort. So gesehen ist Entschuldigung sogar das Gegenteil von Verzeihung.

Friedliebende Menschen erkennt man nicht daran, dass sie niemandem weh tun, sondern dass sie dir verzeihen, wenn du ihnen weh getan hast, sei es versehentlich oder absichtlich. Verzeihen bedeutet, auf Rache zu verzichten. Verzeihen kann nur derjenige, der geschädigt wurde. Du kannst ihm bestenfalls dabei helfen, indem du deinen Fehler einsiehst, deine Schuld bekennst, Reue zeigst und den Geschädigten um Verzeihung bittest.

Wenn du aber kommst und „dich entschuldigst“ und zwischen den Zeilen vom anderen erwartest, dass er „deine Entschuldigung annimmt“, dann beteuerst du zumindest grammatisch deine Unschuld und verleugnest deinen Fehler. Es ist schwer, jemandem zu verzeihen, der seinen Fehler noch nicht einmal einsieht. So gesehen gefährden wir sogar den Frieden, wenn wir den Unterschied zwischen Verzeihung und Entschuldigung verwischen.

Und die Wikipedia ist bei diesem Thema (zumindest momentan) eine Katastrophe. Die will doch eigentlich Klarheit schaffen. Stattdessen leitet sie Verzeihung nach Entschuldigung um und suggeriert dort, dass man „früher“ einen Unterschied gemacht habe und inzwischen jedoch eine „Begriffsverschiebung“ stattgefunden habe. Ich lese daraus: wer wie ich also noch einen Unterschied machen will, sei folglich ein altmodischer Korintenkacker. Danke für das Doppelkompliment. (Nachdem ich mich beruhig hatte, habe ich immerhin einen ersten Schritt getan und „Verzeihung“ nach „Vergebung“ statt „Entschuldigung“ umgeleitet.)

Leonhard Menges benutzt diplomatischerweise in Boshammer über Verzeihen das Wort „Entschuldigung“ im „modernen“ Sinne und fügt dann in Klammern ein „(oder besser: Bitte um Verzeihung)“ hinzu.

Hier noch Beispiele: