Warum ich trotzdem hoffe

Karfreitag, 25. März 2016. Das, was in Belgien zur Zeit passiert, ist in Estland nicht denkbar. Also dass ein ganzes Volk auf solche Taten des Hasses trotzdem noch mit so vielen Demonstrationen der Liebe reagieren kann. Siehe auch meine gestrigen Gedanken.

Als wohlerzogener Christ behaupte ich provokativ: das habt ihr dem Christentum zu verdanken. Ihr wisst gar nicht, wie gut ihr es habt, dass ihr jeden Sonntag einfach so in die Kirche gehen und Lebensfreude tanken könnt.

Jaja, ich weiß, dass viele unter euch das nicht so sehen. Ich erhebe auch keinen Anspruch auf die Richtigkeit meiner These, aber werfe mal ein paar Gedanken auf den Tisch, die mich in unserer heutigen Welt trotz allem hoffen lassen.

Ich erinnere mal an Lieder aus der Zeit, wo Europa auch Angst hatte, aber sich noch an den Horror des Zweiten Weltkriegs erinnerte:

Gerade die Frage nach dem Umgang mit unseren Feinden ist es, bei der die Welt in zwei Lager gespalten ist: in die Liebenden einerseits und die Hassenden andererseits.

Und ich kenne keine klarere Stellungnahme in dieser Frage als die Geschichte vom Sohn Gottes, der seine Jünger aufforderte, sogar ihre Feinde zu lieben, der dann von seinen eigenen Feinden unschuldig als Opferlamm am Kreuz geschlachtet und drei Tage später wieder vom Tode auferweckt wird.

„Die Dimension des Bösen geht über das hinaus, was wir uns vorstellen können. Was können wir hier tun, dass dieser ungeheuren Wucht der Sünde entgegengetreten wird? Als Erstes fallen uns polizeiliche und politische Maßnahmen ein. Aber der Wucht des Bösen kann letztlich nur durch die volle Wucht der Liebe entgegengetreten werden.“ (Kardinal Reinhard Marx am Mittwochabend im Münchner Liebfrauendom. Via Zenit)

In Estland gibt es kaum Menschen, die die Ideen der Feindesliebe nachvollziehen können. Ein bekannter estnischer Fernsehmoderator (Hannes Võrno) war vor Kurzem in Jordanien und Israel gewesen und meinte dann auf Facebook, dass er neidisch sei auf diese Leute, weil die wenigstens noch echte Grenzkontrollen hätten. „An der Grenze bist du ein Fremder, Eindringling, nichts mit Welcome to Estonia, sondern: Was willst du hier? Aber wenn du durch die Schranke bist, erlebst du einen ganz anderen Empfang. Meine Begeisterung für Waffen habe ich lange abgelegt, aber wenn du dort auf Schritt und Tritt Menschen begegnest, die eine Waffe tragen und für Ordnung und Sicherheit sorgen, dann erweckt das Ehrfurcht. In diesem Land fühle ich mich sicher, weil man an der Grenze die Bewachung ernst nimmt. Und weil die, die auf der Straße mit Waffen herumgehen und für Ordnung sorgen, jeden Verursacher von Schweinereien zweifellos auf der Stelle tot schießen. So müsste es auch bei uns sein!“ (via delfi.ee).

Das Erschreckende ist, dass Võrno für seine ans Dritte Reich erinnernden Auffassungen quasi nur Zustimmung erhält. Naja, die EU ist entstanden als Antwort auf den Horror des Zweiten Weltkriegs. Estland war damals von der Sowjetunion besetzt, die haben das alles gar nicht mitbekommen.

Dass es gerade hier im kirchenfeindlichen Estland so viele Menschen gibt, die auf die Falle des Hasses und der Angst davor reinfallen, zeigt mir, welch wichtige Rolle die Kirche für das Volksbewusstsein hat.

Aber auch im alten Europa, in Kommentaren à la Wie der Terror Europas Krise verschärft sehe ich viel Angst um die Zukunft. Auch das finde ich logisch. Dass Angst um sich greift, ist logische Schlussfolgerung des schwindenden christlichen Glaubens. Glaube ist ja Vertrauen in Gott. Je weniger wir davon haben, desto mehr Angst haben wir.

Ich gebe ja zu, dass die Kirche ihre Fehler hat, die manchmal so groß scheinen, dass wir den Karren am liebsten im Dreck stehen lassen wollen. Aber ich sag euch langfristig haben wir keine Wahl, wenn wir Frieden wollen. Voll Liebe selbst denen gegenüber, die uns nicht lieben. Das und nicht mehr meinte Gott, als er Jesus sagen ließ „Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben“ (Jh 14,6)

Und wie gesagt, das ist nur meine Meinung.