Klein ist fein

Donnerstag, 1. Oktober 2015.

Dieser Tage sprach ich mit einer Sankt-Petersburgerin, die in Tallinn lebt. Ich sagte, dass ich noch nie in Sankt-Petersburg war. „Aber das sind doch nur vier Stunden Fahrt von hier, wie kann man sich denn etwas so Grandioses entgehen lassen?“ wunderte sie sich.

Ja, weshalb war ich noch nie in Sankt-Petersburg? Erstens bin ich ein schlechter Tourist. Zweitens möchte ich –wenn schon– vorher Russisch lernen, zumindest einen soliden Anfang. Ich könnte noch mehr Gründe nennen, aber schon beim ersten stolperte unser Dialog und fiel der Länge nach hin. Denn dass ich ein schlechter Tourist bin, veranschaulichte ich ihr mit der alten Anekdote von meinem ersten Besuch in Tartu.

Das war, als ich noch nicht in Estland lebte und nur für zwei Wochen auf Besuch war. Da fuhren Ly und ich einmal mit dem Bus nach Tartu. In Tartu zeigte mir Ly kurz die Universität und traf sich dann mit einer Freundin und ließ mich für zwei Stunden alleine die Stadt erkunden. Und was tat ich? Ich hatte setzte mich in ein Café und las in weiter in meinem Buch. Das nenne ich einen schlechten Touristen.

An dieser Stelle meinte meine Zuhörerin „Das hätte ich auch gemacht. In Tartu gibt es ja nichts zu sehen.“

Ich war sprachlos und dachte nur „Hallo? Wie bitte?“. Aber was will man da machen. Ich gab mir keine Mühe. Mir war das eine Bestätigung dafür, dass große Kulturen zu Chauvinismus und Selbstverherrlichung neigen. Unsympatisch. Deshalb werde ich wohl immer tendenziell zu den Kleinen halten.