Zehn Tage in Eupen

Hallo Freunde,

es wird nochmal höchste Zeit für einen Rundbrief, denn ich muss euch ja vorwarnen: ab nächster Woche kann es passieren, dass die Eupener unter euch einem von uns auf der Straße begegnen. Vom 7. bis 17. August sind wir nochmal wieder in Belgien. An dem Wochenende (11. bis 13.) machen wir sogar noch einen Abstecher nach Taizé.

Meine Mutter hat heute Geburtstag, und den feiert sie im Eupener Krankenhaus, wo sie ein paar Tage lang „ausspannen“ darf. Immer wieder stellt sie sich in den letzten Monaten die Frage, wie lange sie es zu Hause noch alleine geregelt kriegt und ob sie nicht langsam ins Altenheim muss. Und immer wieder lautet die Antwort dann „Ich schaff das noch“. Auch jetzt, nach einem kurzen Panikentschluss, bestätigen ihr die Ärzte und Pfleger, dass sie bald wieder nach Hause darf. Ich kriege das alles nur aus der Ferne mit, wir beide sind dankbar, dass sie mich fast täglich anrufen kann, mich mal kurz aus Arbeit und Alltag reißt, um mir aus ihrem Leben zu erzählen.

Wieso habe ich schon so lange keinen Rundbrief mehr geschrieben? Ganz einfach weil ich älter werde;-) Genauer gesagt, weil mein Leben zur Zeit größer und schöner ist, als ich mit dem Verstand überschauen oder mit Worten beschreiben kann. Und was man nicht klar sieht, darüber hat man weniger Lust zu reden. Wobei ich hinzufügen muss, dass ich früher wahrscheinlich nicht klarer sah als heute, sondern dass ich mir lediglich der Lückenhaftigkeit meiner Weltanschauung weniger bewusst war…

Die Kinder werden groß. Das hört sich freilich belanglos an bei einem, dessen Altersgenossen teilweise schon Großeltern sind. Mari ist jetzt 15 und Iiris 9. Im Juli waren sie unabhängig voneinander auf zwei christlichen Jugendlagern (ja ja, auch das gibt es in Estland, mehr darüber in meinem Blogeintrag Christliche Jugendlager in Estland) und durften erleben, dass wir nicht die einzige christliche Familie in Estland sind. Diese Woche sind sie beide auf einem Folklorelager, das in der Schule von Vana-Vigala stattfindet. Ly und ich haben sturmfreie Bude. Das nutzen wir allerdings nicht etwa aus, um zu zweit etwas zu unternehmen, sondern nein, jeder geht ungestört seiner Lieblingsbeschäftigung nach: Ly entwickelt zur Zeit eine neue Stricktechnik, und ich entwickle weiter an meinem Lebenswerk Lino.

Auch Lino wird langsam groß. Ich darf jetzt stolz erwähnen, dass ich das Ministerium der DG als zufriedenen Kunde habe und dass –nach fast zehn Jahren Partnersuche– sich jetzt erstmals auch andere Firmen und Organisationen für Lino als Werkzeug zu interessieren beginnen. Seit Februar ernährt Lino jetzt eine zweite Familie, denn ich beschäftige ganztags einen Programmierer in Tallinn. Tonis heißt der, und ich bin sehr zufrieden mit ihm. Ich suche übrigens Menschen, die Freude am Arbeiten mit Datenbanken haben, sich in Lino verlieben und als Experten andere Menschen beraten möchten.

Aber nicht nur Arbeit und Familie machen mein Leben größer, sondern auch die anderen Menschen. Wer will, darf Ly und mir beim Volkstanz am Johannitag zuschauen. Im Juni hatten wir gleichzeitig vier Ostbelgier und drei Ostberliner in Vigala zu Gast. Kurz danach kamen die Horizonte aus der Unterstadt für zehn Tage auf Lager nach Vana-Vigala (Bericht bisher nur in estnisch). Am vergangenen Wochenende war ich Gastgeber für ein Dutzend Wikipedisten, die in Vana-Vigala ihr Sommertreffen abhielten (auch hier der Bericht nur in estnisch).

Alles weitere muss jetzt wohl warten bis ich pensioniert bin und meine Memoiren schreibe. Jetzt machen Ly und ich übrigens eine Pause bei unseren kreativen Beschäftigungen, denn wir sind zur Geburtstagsfeier meiner Lieblingsdirigentin Thea Paluoja (Rello) nach Rapla eingeladen.

Herzliche Grüße aus Estland in alle Welt und insbesondere nach Ostbelgien.

Vana-Vigala, am 4. August 2017.