Mit diesen bösen Leuten

Hallo Freunde,

ich las gerade diverse Berichte über Bassel Khartabil, einen palestinensisch-syrischen „Kollegen“ von mir, der wie ich öffentlich auf die Wichtigkeit von Informationsfreiheit und freier Software aufmerksam macht. Bassel ist seit fast vier Jahren in Haft. Die syrische Regierung wirft ihm „Spionage für einen feindlichen Staat“ vor. Kurz nach der Festnahme, im Juli 2012, hatten Freunde und Bekannte eine Unterschriftenaktion auf freebassel.org gestartet. Auch Amnesty International folgte Ende 2012 mit einer dringenden Aktion. Aber wer interessierte sich denn vor vier Jahren für Menschenrechtsverletzungen in Syrien. Das alles hat offenbar bisher nichts genützt.

Jetzt hat seine Frau gehört, dass er zum Tode verurteilt worden sei. Und kein syrischer Beamter scheint zu wissen, wo er überhaupt gefangen gehalten wird. Noch ist es vielleicht nicht zu spät, vielleicht kann hier ein Menschenleben gerettet werden. Ich habe jetzt wenigstens besagten Brief auf freebassel.org und auch eine weitere Petition auf change.org unterschrieben. Vielleicht schaut ihr euch das auch mal an und unterschreibt. Vielleicht schickt ihr sogar ein Fax. Bedenklich ist freilich, dass bei Amnesty International fast täglich ähnliche Fälle eintreffen.

Die Geschichte von Bassel Khartabil zeigt, dass es nur normal und verständlich ist, wenn so viele Menschen Syrien verlassen. Es geschieht unserer Wohlstandsgesellschaft ganz recht, dass wir in Form der Flüchtlingskrise wenigstens ein bisschen von dem ganzen Stress mitbekommen, sprich auch ein bisschen gefordert werden, um all diese Flüchtlinge einigermaßen menschlich zu behandeln.

Fast schon zum Schmunzeln finde ich dann, dass es in Weywertz scheinbar Leute gibt, die ihren Pfarrer Lothar Klinges der Beihilfe zum Terrorismus bezichtigen, weil er sich dafür engagiert, Flüchtlingen Asyl zu bieten. Flüchtlinge sind doch keine Terroristen! Mag sein, dass Terroristen sich auch in Flüchtlingsmassen verstecken können. Terroristen nutzen nun mal jede sich bietende Gelegenheit. Aber du kannst doch nicht den Flüchtlingen (oder denen, die ihnen helfen) vorwerfen, den Terrorismus zu fördern! Im Gegenteil, Terrorismus wächst, wo man sich um die Not seiner Mitmenschen eben nicht kümmert.

Am Sonntag hatten wir in der Sonntagsschule die Geschichte von Zachäus durchgenommen. Wir fragten die Kinder „Wer wären wohl heute jene verhassten Typen, bei denen wir es empörend fänden, wenn Jesus sie besuchen ginge?“ Ein paar Staatschefs wurden genannt, auch Microsoft, und natürlich die Terroristen. Und dann spielten wir mit den Kindern all diese verhassten Typen durch: einer spielte den Bösen, der zu Jesus wollte, und wir alle versuchten, ihn daran zu hindern. Ja, auch ich ertappe mich bei der Ansicht, dass mit solchen Typen selbst Jesus nichts zu tun haben will. Ich finde es dann geradezu erlösend zu lesen, dass das nicht stimmt. Dass Jesus uns auffordert, sogar diesen Terroristen und sonstigen richtig bösen Leuten mit Wohlwollen zu begegnen.

Ich hab natürlich leicht reden hier in Estland, weit weg von Paris und Brüssel. Aber ich sag das jetzt mal so: Terrorismus entsteht, wenn eine genügend große Gruppe von Menschen irgendwo sehr unzufrieden ist. Mit Gewalt kommen wir dagegen nicht an. Die einzige Chance gegen Terrorismus ist es, diese Unzufriedenheit zu identifizieren und Lösungen zu finden, die beide Gruppen akzeptieren können.

Verflixt, und jetzt habe ich doch tatsächlich schon wieder stundenlang philosophiert, statt mit meinem muslimischen Assitenten Hamza weiter an Lino zu arbeiten!