Über Nationalstolz¶
Mittwoch, 22. Oktober 2025
Reicht die Nationalität alleine als Grund für Stolz aus? Und wo liegen die Grenzen des Nationalstolzes? Diesen Fragen geht Michael Dujardin in seiner Ausstellung „Fier et Belge“ nach, die noch am kommenden Wochenende in der Eastbelgica Eventlocation (Bahnhofstraße 31) zu sehen ist.
So schrieb das Grenz-Echo dieser Tage. Da dachte ich mir, dass ich euch aus der Ferne meine Antworten dazu schreiben sollte.
Wer über Emotionen redet, begibt sich auf dünnes Eis. Stolz kann wie jede Emotion einen bitteren Beigeschmack kriegen. Stolz hat zwei Facetten; er kann dankbar sein oder überheblich.
Ein junger Mann sieht von der Bank am Spielplatz aus, wie sein Kind ein anderes Kind tröstet, das hingefallen war. Und auf der Bank neben ihm loben zwei Mütter dieses Sozialverhalten, ohne zu wissen dass der Vater mithört. Wem würde da nicht das Herz höher schlagen. Das nennt man Stolz. Wir wissen nicht, wieviel Verdienst der Vater tatsächlich am Sozialverhalten seines Kindes hat, aber ich gönne ihm seinen Stolz.
Stolz ist ein gerechtfertigtes Gefühl, wenn dank dir die Welt ein bisschen besser geworden ist. Das ist dann eine Form von Dankbarkeit. Du freust dich darüber, dass dir etwas gelungen ist. Dein Leben hat einen Sinn.
Ich war dieser Tage stolz, weil ich unsere quietschende Flurtüre endlich zum Schweigen gebracht habe. Graphit und Fett hatten nichts bewirkt, aber dann hatte ich die geniale Idee, an einer bestimmten Stelle ein Holzplättchen unterzulegen, und hopps war das Problem gelöst. Jeder Fachmann hätte das wahrscheinlich in 10 Minuten geregelt, ich habe Monate dafür gebraucht, aber ich habs geschafft! Darüber bin ich stolz.
Ich bin auch sehr froh, dass ich ein Belgier bin. Wenn ich zum Beispiel Este wäre, hätte ich jetzt keinen Magen mehr oder wäre an Krebs gestorben. Aber wieso sollte ich deswegen stolz sein? Dankbarkeit ist hier das angebrachtere Gefühl, Dankbarkeit für ein funktionierendes Gesundheitssystem.
Wir Ostbelgier haben in Deutschland den Vorteil, dass wir Französisch können, und in Restbelgien den Vorteil, dass wir Deutsch können. Da kann es schon mal zu Situationen kommen, wo man damit angeben kann. Und das ist mir auch schon passiert, die Versuchung ist jedenfalls da. Aber rational betrachtet sind Sprachkenntnisse kein Grund, stolz zu sein.
Was ist Belgien überhaupt? Jeder Staat ist doch im Grunde nur eine Konvention. Irgendwelche Staatsoberhäupter haben sich irgendwann auf irgendwelche Grenzen geeinigt. Wir Belgier sind zugegebenermaßen selber manchmal erstaunt darüber, dass diese seltsame Idee knapp 200 Jahre später noch immer funktioniert.
Auf diese trotz allem noch immer funktionierende Idee des Staates Belgien dürfen wir, gewissermaßen und kollektiv, stolz sein, jawohl. Weil wir ja als wählende Bürger immerhin unser Stimmchen mitzureden haben bei den Diskussionen im Parlament, bei denen diese Idee gepflegt und weiterentwickelt wird. Und immerhin zahlen wir ja Steuern, mit denen das alles finanziert wird.
In diesem Zusammenhang macht es also schon Sinn, über gewisse Dinge zu reden. Zum Beispiel dass in Belgien die Straßen nicht so gut sind wie in Deutschland. Ein schwer auszurottendes Vorurteil, das jeder Tresenredner kennt. Auch dass Franzosen uns als dumm bewitzeln: wir lächeln milde darüber, denn der Klügere gibt nach. Aber wer die Fritten erfunden hat, das ist historisch bewiesen, denn die älteste Beschreibung stammt aus Lüttich.
Als Belgier in Estland werde ich nie müde, den belgischen Humor, die belgischen Pfadfinder, das belgische Schulsystem, das belgische Sozial- und Gesundheitssystem, ja sogar die belgische Kirche zu verteidigen.
In diesen Sinne wünsche ich euch, liebe Mitbürger, die ihr Duche’s Ausstellung besucht, tägliche Momente der Dankbarkeit für das Schöne und Funktionierende in unserem Land. Lasst es euch nicht durch Großkonzerne kaputt machen.