Dankbar sein für Störungen¶
Donnerstag, 14. August 2025
Vor kurzem sagte ich über einen Freund „Sie ist eine Frau, die lieber ein Mann wäre.“ Huch, da hatte ich was gesagt! „Du meinst, sie ist ein Mann, der als Frau geboren wurde“ fiel mir mein Gesprächspartner ins Wort. Nein, das meinte ich nicht, aber ich habe ruhig gehalten, weil wir in dem Moment Wichtigeres zu besprechen hatten.
Ein anderer Freund erklärte mir etwas später, was TERF bedeutet. Das ist die Abkürzung für „trans-exclusionary radical feminist“. Dieser trans-ausschließende Radikalfeminismus kriegt viele neue Anhänger, seit in Deutschland ein Mann zum Amt gehen und sich zur Frau umschreiben lassen kann. Wenn dann nämlich so ein als Frau anerkannter Mann in die Frauensauna geht, fühlen sich manche Frauen verständlicherweise gestört. Und es bringt dann auch nicht viel, wenn der Betreffende seinen Personalausweis zeigt.
Neben TERF dann gibt es scheinbar noch anti-gender movement und postgenderism. Das alles erinnert mich irgendwie an die People’s Front of Judea in Monty Python’s Leben des Brian, die „nur eines noch mehr hassen als die Römer, nämlich diese Typen von der Judean People’s Front“. Erstaunlich, dass ein Witz aus dem Jahr 1979 noch immer aktuell ist.
Wenn ihr mich fragt, kommen die Probleme daher, dass wir Homo- und Transsexualität nicht einfach als sexuelle Störung bezeichnen. Verzeih mir meine Direktheit, aber Queersein ist eher eine störende Sache. Gib’s ruhig zu: ohne diese Eigenart hättest du es einfacher im Leben. Für Schlafstörungen schämt man sich doch auch nicht. Wieso darf man im Jahr 2025 Schlafstörungen als solche bezeichnen, sexuelle Störungen aber nicht? Wer Schlafstörungen hat, würde doch auch nicht auf die Idee kommen zu behaupten, einen gesunden Schlaf zu haben. Lasst uns aufhören, einander einzureden, dass Homo- oder Transsexualität „Varianten der Sexualität“ seien und nur durch die veralteten Weltanschauungen der Anderen zum Problem werden.
Unsere Kultur hat insgesamt ein Problem mit Störungen. Dabei sind Störungen wichtig. Ohne Störungen gäbe es keine Evolution. Wir sollten lernen, dankbar zu sein für Störungen. Sexuelle Störungen nicht als solche zu bezeichnen ist undankbar.
Nun ja, wir Menschen haben jahrtausendelang geglaubt, dass sexuelle Störungen „Sünde“ seien. Wir wissen erst seit ein paar Generationen, dass dem nicht so ist. Und gute Neuigkeiten verbreiten sich leider nur langsam. Deshalb gibt es noch immer Leute und ganze Völker, die an diesem alten Aberglauben festhalten.
Wer die Hand an den Pflug gelegt hat und nochmal zurück schaut, der taugt nicht fürs Himmelreich. Ich kann die Ungeduld derjenigen verstehen, die nach Gerechtigkeit dürsten und nach einer Welt, in der man endlich ohne Nebenwirkungen aussprechen darf, wenn jemand eine sexuelle Störung hat.
Es ist eine Schande, wenn queere Menschen im 21. Jahrhundert noch wegen ihrer Andersartigkeit angegriffen, beleidigt oder gemieden werden. Es ist aber auch eine Schande, wenn Menschen wegen politisch-wirtschaftlicher Interessen eines Volkes getötet, verstümmelt oder vertrieben werden. Herr, erbarme dich! Lehre uns, dankbar zu sein für Störungen.
Zuletzt bearbeitet am 05.09.2025