Mari: Mein erstes Semester in Tartu

Montag, 28. Oktober 2024. Von Mari Saffre. Geschrieben schon am 6. März 2024, aber aus technischen Gründen erst heute veröffentlicht.

Alle Patentanten und Tanten wollen ja gerne wissen, was ich in Tartu an der Schule für höhere Kunst Pallas denn so mache. Jetzt ist das erste Halbjahr um und ich kann auch so einiges zeigen, was wir bisher gemacht haben. Ein Foto von meinen Zeichnungen vom ersten Zeichnungskurs, wo wir erste Zeichnungsübungen und verschiedene Stillleben mit Graphit und Kohle machten. Daneben sieht man auch einige bunte 5-10 Minuten- Skizzierungsübungen (einzelne Stunden neben zeitintensiveren Stillleben), die mir am meisten Spaß machten.

Im ersten Kurs gibt es noch nicht viel allzu spannendes Fachbezogenes, denn vieles ist Einleitung und Theorie, aber wir haben schon Stoffe gefärbt (mit Reaktiv- und Säurefarben) und technische Details wie Reißverschlüsse durchgenäht.

Was am allerspannendsten war: im Fach „Material und Struktur“ haben wir in einer Technik namens „Multiweave“ gewebt.

Was ist Multiweave? Unsere Lehrkraft Kadi Pajupuu hat diese Technik erarbeitet und in den letzten Jahren immer wieder Studenten Aufgaben aufgetragen, wobei die Technik ständig weiter entwickelt wurde. Zwischen uns wurde ausgelost, welches Objekt wir machen müssen - Kopfbedeckungen, Weste/Pullover oder gar eine Hose - und in welchem Muster unsere Webstöcke verlaufen müssen. Davon gleich mehr.

Multiweave ist nämlich eine Webetechnik, die gedacht ist, (irgendwann in der Zukunft) höchst effizient mit 3D-Druckern produziert zu werden. Das müsste man sich vorstellen, dass man anstatt zwischen Kettenfäden zu weben, die sich in einer Reihe befinden, rund herum um Kettenfäden webt, die sich selber schon in einer Fläche befinden. Der Stoff wächst schon aus einer Fläche in die Höhe, ohne dass man ihn in das 3D zusammennähen muss. Und wenn man einen Stoff drucken kann, kann man auch schon von vornerein Schnitt und Form bestimmen und modifizieren.

Ich hatte als Aufgabe, eine Mütze zu machen, wo die Ohren bedeckt sind. Und die Fläche, mit der ich webe (oder multi-webe oder multiweave) musste aus einem Zickzackmuster zusammengesetzt sein. Beides war durch Zufall ausgelost. Hinzu gehörte, dass wir unser Webeinstrument selber bauen mussten, ich habe meines aus Polycarbonat und Bambusstöcken gebastelt. [Foto]

Seit Ende Januar hat schon das Frühlingssemester angefangen. In diesem Semester haben wir mit Malen begonnen, ein weiteres Allgemeinfach, und in der Zeichnungsstunde lernen wir nun menschliche Proportionen zeichnen. Am Anfang Draht- und Kantenköpfe, und jetzt zeichnen wir einen Antikkopf – die Aphrodite.

Textilmäßig weben wir jetzt dieses Semester Teppiche. Auf richtigen, komplizierten Webstühlen, mit all den verschiedenen Vorbereitungsschritten vor dem Weben. Wir haben etwa 7 Webstühle wo verschiedene Muster verlaufen und jeder im Kurs muss 60 cm einen kleinen Teppich auf jedem Stuhl weben. Das ist einiges an Arbeit!

Ansonsten mache ich Vorbereitungen für ein Erasmussemester, planmäßig in Berlin an der Kunsthochschule Berlin-Weißensee. Und unter anderem bewerbe ich mich für die ERKI Modeschau mit einer Modekollektion. Ein waghalsiges Unternehmen für jemanden aus dem 1. Jahrgang, doch ich glaube es wird gut sein, diesen Prozess schon mal durchgemacht zu haben und ich verliere nichts, wenn meine Idee nicht weiter kommt.

Mit lieben Grüßen aus Tartu von
Mari