Franziskus bei den Belgiern¶
Sonntag, 29. September 2024
Möge der Belgienbesuch von Papst Franziskus dazu beitragen, dass die Kirche endlich wieder ihre Arbeit machen kann. Die ja bekanntlich darin besteht, das Evangelium zu verkünden.
Im Kontext der Missbrauchskandale sagte Anne Preckel in einem Kollegengespräch bei Vatican News: „Der ehemalige Bischofsbeauftragte der Bischofskonferenz, Bischof Bonny von Antwerpen, hatte etwa klar kritisiert, es sei zu wenig passiert, die Kirche zahle dafür heute den Preis.“
Wenn eine Firma einen Fehler macht und die Sache auffliegt, dann wird vor Gericht ein angemessener Schadensersatz vereinbart, die Firma zahlt, und dann ist es wieder gut. Zum Beispiel ein im Bau befindliches Hochhaus stürzt ein, zehn Arbeiter verlieren ihr Leben, und deren Witwen kriegen als Gegenleistung für den Rest ihres Lebens eine Rente. So geht das heute. Zumindest, wenn juristisch alles korrekt läuft. Der Name eines Bauunternehmens ist mehr wert als zehn Witwenrenten. Und wenn die Firma es irgendwie schafft, ihre Verantwortung zu vertuschen und die zehn Witwen ohne Entschädigung zum Schweigen bringt, und die Sache viel später dann trotzdem auffliegt? Ja, dann haben viele Anwälte und Journalisten alle Hände voll zu tun. Gott segne sie bei ihrer Arbeit. Ich bin weder Anwalt noch Journalist.
Was mir bei diesen Worten hochkam: Aber die Kirche ist doch keine Firma! Ihr Ziel besteht doch nicht darin, das Kapital ihrer Besitzer zu vermehren! Ich höre so viele Menschen rufen „Schluss mit der Kirche, die hat genug Schaden angerichtet!“, aber bitte denkt das doch mal zu Ende. Ihr meint, der Vatikan stellt seine Tätigkeit ein, das Personal wird entlassen und die Besitztümer werden durch einen Gerichtsvollzieher verkauft und an diejenigen verteilt, die Anspruch darauf haben? Selbst wenn das irgendwie gelänge, fiele die Menschheit dann um 2000 Jahre zurück, denn jedes Volk würde wieder seine eigenen „Priester“ berufen und diese würden wieder versuchen, weltliche Macht an sich zu reißen.
Die (ideale) Kirche ist nun mal die einzig denkbare Organisation, die fähig ist, alle Völker der Menschen auf geistiger Ebene zu vereinen. Ich wüsste nicht, wie wir es ohne geistige Vereinigung schaffen sollen, in Frieden auf diesem Planeten zu leben. Staaten und politische Vereinigungen bis hin zur UN sind ein wichtiges Instrument zum Frieden, aber sie können nur in den mess- und regelbaren Bereichen des Lebens arbeiten.
Also wenn hier jemand einen Preis dafür zahlt, dass zu wenig passiert ist, dann sind wir das. Wir brauchen die Kirche doch! Wir sind doch die Kirche!
Oh Gott, jetzt bin ich hier doch tatsächlich schon wieder seit zwei Stunden am philophieren! Jetzt reicht’s mir aber hoffentlich!
P.S. 20241014 Dem Argument „l’Église n’est pas une entreprise“ widerspricht der Schweizer Theologe Jean-Christophe Emery in Les défis de l’organisation ecclésiale. Die Kirche ist natürlich sehr wohl ein Unternehmen. Ich meinte nur, sie sei keine Firma im Sinne einer profitorientierten Aktiengesellschaft.