„Erzähl mir was von deinem Tag“

Freitag, 8. Oktober 2021

Dein Kind kommt nach Hause und du würdest ja so gerne ein bisschen was aus ihrem Alltag mitbekommen. Aber gerade bei 13-Jährigen ist das so frustrierend schwer!

Es soll ja Kinder geben, die ihren Eltern auf den Keks gehen, weil sie nicht aufhören zu erzählen. Dieses Problem habe ich eindeutig nicht mit meinen Töchtern. Wenn Iiris von der Schule nach Hause kommt, schmeißt sie sich als erstes auf ihr Bett und fängt an, ihre diversen Informationsflüsse abzuarbeiten.

Vorige Woche waren Iiris und ich mehrere Tage lang eine Zweierfamilie, weil Ly und Mari in Vigala geblieben waren für diverse kulinarische Projekte (Sanddornmus, Vogelbeersirup, Ratatouille, Apfelkuchen…) Am Montag kommt Iiris nach Hause und verschwindet sogleich in ihrem Zimmer. Nicht mal für Tommy hat sie Zeit. Ich klopfe an ihre Tür (entsprechend der Warnung) und setze mich auf ihr Bett. Ich: Komm dich doch was in die Küche setzen und erzähl mir was, während ich das Abendessen vorbereite. Iiris: Nö. Ich: Dann schalte wenigstens mal das Telefon aus für ein paar Minuten. Iiris ergibt sich schulterzuckend. Ich: Worüber hast du heute gefreut? Iiris: Hm. Ich: Worüber hast du dich heute geärgert? Iiris: Keine Ahnung. Ich: Ach Iiris, ich komm mir vor wie ein totaler Looser als Vater. Wieso reden meine Kinder nicht mit mir? Okay, ich gebs auf für diesmal. Aber deine Tür lass ich auf, damit du nicht vergísst, dass du noch eine Ladung Äpfel zum Trocken legen musst. Kurz danach schloss sie ihre Zimmertür, und an diesem Tag wurden keine Äpfel zum Trocknen gelegt.

Am Dienstag kam es noch schlimmer. Nach der Schule waren Iiris und ich zu einem Vorstellungsgespräch in der Musikschule gewesen. Sieht aus als ob sie Posaune anfangen wird. Wir hatten Nudeln zum Abendessen vereinbart. Bisher alles schön.

Als es dann Zeit fürs Abendessen wurde, hoffe ich, dass sie mithilft bei der Zubereitung. Ich klopfe an und betrete ihr Zimmer. Mademoiselle ist vertieft in ihr Telefon. Ich warte höflich eine geraume Zeit, mindestens 10 Sekunden. Sieht aus als ob sie jetzt keine Sprechstunde hat. Ohne ein Wort verlasse ich ihr Zimmer, diesmal schließe ich die Tür selber. Soll sie doch rauskommen, wenn es ihr passt. Nach einigen Minuten erfolglosen Wartens beginne ich, Nudeln zu machen. Mit besonders leckerer Soße. Die genieße ich trotzig ganz allein. Nur eine kleine Portion bleibt übrig für Iiris, aber das ist mir egal. Ihr ja offenbar auch. An diesem Abend ging ich schlafen, ohne ihr gute Nacht zu sagen. So frustriert war ich. Nur Gedanke aus der Komplet leistete mir Gesellschaft: „In deine Hände leg ich voll Vertrauen meinen Geist.“

Später, als ich für meine Nachtsitzung aufwachte und Iiris schon schlief, las ich auf meinem Telefon folgende Kurznachricht von ihr:

https://www.tiktok.com/@abrahampiper/video/7015744195746860293

Cool! Was der Mann empfielt („Ask ridiculously precise questions“), hatte ich schon selber entdeckt und angewendet, und in Wirklichkeit ist es natürlich trotzdem nicht so einfach wie er das schildert, aber es tut gut zu sehen, dass ich nicht der einzige Vater mit diesem Problem bin. Und noch besser tut es natürlich, das von deiner Tochter geschickt zu kriegen!

Und als wäre es noch nicht genug damit, schrieb mir Iirisens Klassenlehrer am nächsten Tag in einer Email: „Wir finden es übrigens toll, dass Iris bei uns ist. Sie ist eine Bereicherung für die Klasse und die Deutschsprachige Abteilung.“

Also wenn mir noch mal einer sagt, Gott reagiere nicht auf unsere Gebete, dann sage ich: Du spinnst.