Geschlechtsneutrale Grammatik

Lasst uns die weiblichen Personal- und Possessivpronomen („sie“, „ihr“ und „ihre“) schon in unserem Kopf über Bord werfen! Lasst uns „er schreibt“ oder „sein Mantel“ oder „seine Tasche“ auch dann sagen und denken, wenn der Täter bzw. Besitzer eine Frau ist. Lasst uns unsere Grammatik von unnützem Ballast befreien.

Das ist mein Vorschlag, um unsere Sprache geschlechtergerechter zu machen. Ich nenne das geschlechtsneutrale Grammatik.

Die in letzter Zeit viel diskutierte Gendersprache halte ich für einen Schuss ins Knie, weil sie der Gleichstellung der Geschlechter eher schadet als dient. Statt die Geschlechter gleichberechtigt darzustellen, betont sie die Polarisierung. Die Argumente von Anatol Stefanowitsch in einem Interview bei republik.ch überzeugen mich nicht. Seine Beobachtungen stimmen, aber er deutet sie falsch. Das Gendersternchen ist keine Lösung, weil es nicht ausgesprochen werden kann und sich deshalb in unserem Denken nie durchsetzen wird.

Wenn ich an anderen Stellen „m/w/x“ schreibe, dann möchte ich den Leser daran erinnern:

m/w/x

bedeutet, dass ich geschlechtsneutrale Grammatik benutze, weil das Geschlecht der betreffenden Person in diesem Kontext vollkommen egal ist.

Mein Vorschlag geht in Richtung des generischen Maskulins, dessen Nachteil darin besteht, dass man nicht genau weiß, ob nur männliche Personen gemeint sind oder auch andere. Aber wenn die maskuline Form die einzige ist, ist das eben nicht mehr unklar. Ich bin ein Befürworter des generischen Maskulinum und deshalb noch lange kein Gegner inklusiver Sprache.

Wieso die weibliche Form rauswerfen und nicht die männliche? Weil die weibliche Form sprachlich nur ein Anhängsel der männlichen ist und so gesehen schon an sich eine Diskriminierung darstellt. Patriarchales Denken war schon der Grund, dass eine weibliche Form überhaupt entstanden ist. Das nenne ich unnützem Ballast unserer Grammatik.

Die Idee kommt daher, dass es in Estnisch und Finnisch schon immer so gewesen ist. Scheinbar auch in Türkisch, Ungarisch und einigen asiatischen Sprachen [Quelle]. Dort gibt es kein grammatisches Geschlecht. Es ist in unserer Familie vorgekommen, dass meine Töchter (in Estnisch) minutenlang über eine Klassenkameradin redeten, und erst als ich (in Deutsch) etwa fragte „Wo wohnt sie eigentlich?“, kam heraus, dass es sich um einen Jungen handelte.

Ein anderer Ursprung meiner Idee ist die Aussage eines Freundes, der als Softwareentwickler einen dicken Lohn kassiert, um in den von ihm gepflegten Projekten Feldbezeichnungen wie „Verwalter“ nach „Verwalter/in“ zu ändern.

Mein Vorschlag ist zugegebenermaßen utopisch, weil auch die gesprochene Sprache betroffen ist. Eine geregelte Reform wäre also noch schwieriger als bei einer reinen Rechschreibreform (z.B. der von 1996).