Geschlechtsneutrale Grammatik

Die Abkürzung „m/w/n“ in meinen Texten weist darauf hin, dass ich geschlechtsneutrale Grammatik verwende und deshalb noch lange kein Patriarch bin.

m/w/n

männlich / weiblich / nichtbinär

Um die deutsche Sprache geschlechtergerechter zu machen, schlage ich geschlechtsneutrale Grammatik vor anstelle der in letzter Zeit populär gewordenen Gendersprache.

Die in der Gendersprache verwendeten Doppelformen (wie „Lehrerinnen und Lehrer“, „Lehrer:innen“ oder „Lehrer*innen“) halte ich für einen Schuss ins Knie, weil sie der Gleichstellung der Geschlechter eher schaden als dienen:

  • Erstens diskriminieren sie natürlich nichtbinäre Menschen.

  • Aber das eigentliche Gift der Doppelformen ist tiefer und subtiler: statt die Geschlechter gleichberechtigt darzustellen, betonen sie die Polarisierung. Statt zu signalisieren „Dein Geschlecht ist mir egal“ rufen sie „Wehe dem, der die Unterscheidung zwischen Mann und Frau mal vergisst oder gar bewusst auslässt, um ein bisschen Platz zu sparen oder sich etwas Lesbarkeit zu erschleichen!“ [1]

Die Argumente von Anatol Stefanowitsch in einem Interview bei republik.ch überzeugen mich nicht. Seine Beobachtungen stimmen, aber er deutet sie falsch. Das Gendersternchen ist keine Lösung, weil es nicht ausgesprochen wird.

Geschlechtsneutrale Grammatik benutzt statt Doppelformen den umstrittenen generischen Maskulin. Das Hauptargument gegen den generischen Maskulin ist, dass er unklar ist angesichts der Frage, ob nur männliche Personen gemeint sind oder auch andere. Diese Unklarheit lässt sich lösen, indem man an gegebener Stelle explizit schreibt, dass alle gemeint sind, zum Beispiel in einer Fußnote, im Impressum einer Webseite, oder (wie ich manchmal) mit der Abkürzung m/w/n, die dann auf diese Seite verweist.

Geschlechtsneutrale Grammatik geht noch weiter als der generische Maskulin. Sie bedeutet:

Lasst uns die weiblichen Personal- und Possessivpronomen („sie“, „ihr“ und „ihre“) über Bord werfen. Lasst uns „er läuft“ oder „sein Mantel“ oder „seine Tasche“ auch dann sagen und schreiben und denken, wenn der Täter bzw. Besitzer eine Frau ist.

Dieser Vorschlag klingt noch sehr utopisch. Aber die älteren Leser unter uns erinnern sich vielleicht noch an die Anrede „Fräulein“. Die ist mittlerweile so gut wie ausgestorben. Ich wünsche unseren weiblichen Pronomen das gleiche Schicksal. Lasst uns unsere Grammatik von unnützem Ballast befreien!

Geschlechtsneutrale Grammatik ist auch für mich noch gewöhnungsbedürftig. Immer wieder ertappe ich mich dabei, dass ich weibliche Pronomen verwende, obwohl das Geschlecht der betreffenden Person im gegebenen Kontext vollkommen unwichtig ist.

Die Abkürzung m/w/n ist übrigens nur vorübergehend nötig. Wenn die maskuline Form erst einmal die einzige Form geworden ist, weil feminine Pronomen eben als veraltet gelten, dann ist der generische Maskulin auch nicht mehr „unklar“.

Der generischen Maskulin ist zumindest ansatzweise in allen Köpfen enthalten, alle Menschen sind auch heute schon grundsätzlich fähig, ihn zu verstehen.

Wieso die weibliche Form rauswerfen und nicht die männliche? Weil die weibliche Form sprachlich nur ein Anhängsel der männlichen ist und so gesehen schon an sich eine Diskriminierung darstellt. Patriarchales Denken war schon der Grund, dass eine weibliche Form überhaupt entstanden ist. Das nenne ich unnützem Ballast unserer Grammatik.

Die Idee zu meinem Vorschlag kommt daher, dass es in Estnisch und Finnisch schon immer so gewesen ist. Scheinbar auch in Türkisch, Ungarisch und einigen asiatischen Sprachen [Quelle]. Dort gibt es kein grammatisches Geschlecht. Es ist in unserer Familie vorgekommen, dass meine Kinder (in Estnisch) minutenlang über eine Klassenkameradin redeten, und erst als ich (in Deutsch) etwa fragte „Wo wohnt sie eigentlich?“, kam heraus, dass es sich um einen Jungen handelte.

Ein anderer Ursprung meiner Idee ist die Aussage eines Freundes, der als Softwareentwickler einen dicken Lohn kassiert, um in den von ihm gepflegten Projekten Feldbezeichnungen wie „Verwalter“ nach „Verwalter/in“ zu ändern.

Mein Vorschlag ist zugegebenermaßen utopisch, weil auch die gesprochene Sprache betroffen ist. Eine geregelte Einführung wäre also noch schwieriger als bei einer reinen Rechschreibreform (z.B. der von 1996).

Aber ich halte meinen Vorschlag für weniger utopisch als z.B. das NoNa-System, das allen Ernstes die Einführung neuer Pronomen (hen, hens und hem) vorschlägt.

Zuletzt bearbeitet am 18. Dezember 2024.