Maris Rundbrief aus Pallas, Jahrgang 2

Montag, 23. Dezember 2024

Hallo! Ich habe mal wieder Zeit gefunden, ein bisschen von meinem spannenden Leben an der Kunsthochschule Pallas in Tartu zu berichten.

Dieses Jahr erwartet man von uns vieles an Design und Selbstäußerung, denn wir haben Stunden wie digitales Sticken, Autorstoff-Weben und Tufting. In allen ist der Output entweder ein Konkurs oder wir müssen ein Produkt präsentieren.

Beim Autorstoff weben wir nicht nur einfach so mit den Webstühlen einen Stoff, sondern uns ist als Aufgabe gegeben worden, einige innovative Manipulatsionstechniken zu benutzen, wie zB Railreed, wo man am Weberblatt die Dichte der Lücken und auch die Reihenfolge der Module austauschen kann. Ich habe mich aber für eine Webtechnik mit einer bestimmten Art von Webbrettchen entschieden, da mein Teststükk mit der Technik mir am besten gefallen hat und ich da gleich auch Ideen hatte, was ich daran weiter machen könnte.

Diese Woche hatten wir die Bewertung des Faches, in dessen Rahmen wir den Stoff (und aus dem Stoff einen Kleidungsartikel) weben mussten. Freilich kann ich sagen, dass ich es hervorragend bestanden habe. Meine Präsentation und Idee hinter der Modekollektion hat der Komission sehr gefallen und mein Spiel mit den Kettfaden haben sie als „schlau“ bezeichnet. Hinzu gab es auch einen Konkurs für die Stoffe die wir gewebt haben und mein Stoff hat am meisten Stimmen von der Jury bekommen (es waren dieselben Lehrkräfte und beruflich relevanten Gäste, die zur Bewertung da waren). Mit dem Konkurs ist auch ein Preisgeld vorgesehen:)

Im November war die Bewertung vom Digitalstickereifach. Wir mussten unsere unterschiedlichen Proben präsentieren, jeweils mit bedeckter Fläche oder nur Lineart. Es ging nämlich darum, zu zeigen, dass wir die verschiedenen Funktionen in der Stick-Software beherrschen und auch mit der Stickmaschine alles richtig hinbekommen.

Als Weiterentwicklung mussten wir zudem noch selber denken, wie wir die Möglichkeiten vom digitalen Sticken ausnutzen könnten um einem Stoff oder Kleidungsstück etwas mehr als nur eine kleine Dekoration zu geben. Ich habe mit einem Venus-Symbol-Muster einen Steppstoff erschaffen und daraus habe ich eine Tasche genäht (die ich übrigens sehr gerne trage).

Noch was Textilspezifisches: wie erwähnt, haben wir auch ein Fach im Teppich-Tufting. Jetzt noch vor den Weihnachten mussten wir unser Probestück von unserem Teppichdesign fertig weben/tuften, denn wir haben die hintere Seite alle zusammen geleimt und das trocknet jetzt über die Weihnachtszeit.

Wir machen aber diese Teppichdesigns nicht nur einfach so, sondern in Zusammenarbeit mit einem Unternehmen gibt es hierzu auch einen Wettbewerb. Wir müssen 2 Designs, ein 2x3 m rechteckiges und ein rundes mit 2m Diameter, eingeben, alles mit den richtigen Farben zum weben und technischer Info, welche Länge an Fasern und andersmögliche Details. Im Januar ist der Termin, wo wir das Ganze als digitales Dokument einreichen müssen. Bei diesem Wettbewerb wählt sich das Unternehmen am Ende ein Designpaar aus, dass in ihrem Katalog zum Bestellen verfügbar sein wird. Wir als Autoren werden dann per Bestellung Autorenrechtgemäß Lizenzgeld bekommen.

Ansonsten von Kunsthochschulmäßigem habe ich ja nebenbei auch Zeichnen- und Malunstunden. Unsere Gruppe hat mit den Lehrern Glück gehabt, denn wir müssen nicht nur akademische Werke produzieren. Unser Zeichnungslehrer gibt uns viel Freiheit und wir arbeiten viel mit Pastell und Kohle und maximal nur die ganze Stunde in der Woche (wir hatten eine Doppelstunde von 3 astronomischen Stunden hintereinander statt zwei mal 1,5h). Viel Modellzeichnen, dh ganze Figuren und aus der Natur. Das Mädchen war eine meiner Freundin, Mia, die ich auf den Aufruf der Mallehrerin eingeladen hatte, mal als Modell zu kommen. Sie hat uns sowohl im Malunterricht als auch im Zeichnen dann posiert.

Im Malen hatten wir auch traditionelle akademische Formenuntersuchungen mit Modellen, aber auch abstrakte Aufgaben. Bei einigen Arbeiten hat die Lehrerin von uns Entwürfe erfordert, bevor wir das Gemälde anfingen. Das waren zum Beispiel das Geometrisch-Abstrakte im Hintergrund und das mit dem rosa-gelben Hintergrund (eine Aufgabe von Selbstportät und Porträt von einer Klassenkameradin, komplett freie Hände in der Ausübung).

Was noch spannend ist an der Schule: ich habe an einem Fanzine-Workshop der Fotografieabteilung teilgenommen, den ein französischer Fotograf, Raphaël Gianelli-Meriano, durchgeführt hat. Während 3 Tagen machten wir Fotos, bearbeiteten sie, zerbrachen uns die Köpfe über das Layout und druckten zuletzt als Indie-Produktion 20 Exemplare einer Kunstzine aus. Das Wort Zine kommt als Verkürzung von Magazine aus dem Englischen und steht für eine weniger offizielle Veröffentlichungsform.

Ich habe dieses Semester auch am Wahlfach Straßenkunst teilgenommen. Unter anderem haben wir da unseren eigenen Graffity-Tag erstellt und auch traditionelle Graffityformen wie eine Bombe und Wildstyle mit dem Tag gemacht. Aber uns ist eine bekannte Straßenkünstlerin aus Tartu von ihren Werken erzählen gekommen und wir haben auch über die StraßenKUNST Seite des Ganzen gelernt und auch einige Entwürfe dazu konstruiert. Hier meine digitalen Entwürfe, denn dann existiert der „Vandalism“ nur in hüpothetischen Planen:

Außerdem bin ich seit Anfang des Schuljahres im Studentenrat, was vieles an spannendem Veranstaltungsorganisieren bedeutet, aber auch, dass ich von den politischen Regungen innerhalb von Pallas erfahre, da ich Vertreter am Schulrat bin. Da habe ich schon bei den Wahlen des nächsten Leiters der Lederabteilung abgestimmt und bei besseren Formulierungen von Vorschriften mitgedacht. Dabei sehe ich auch, wie die Leiter der verschiedenen Abteilungen sich verhalten.

Was wir als Studentenrat (oder ÜE, wie die Abkürzung im Estnischen lautet) an Veranstaltungen organisieren: bisher die Einweihungsfeier der Neulinge, die Woche der geistigen Gesundheit und das Weihnachtsfest. Ganz schön anstrengend. Aber als Team kriegen wir das hin. Voriges Wochenende haben wir unter uns auch eine kleine Weihnachtsfeier im Landhaus von einer im Team gefeiert.

Da ich schon seit anderthalb Jahren meinen Führerschein habe und zurzeit ja das Familienauto frei benutzen kann, war ich Chauffeur zwischen Tartu und Rapla. Bei der Zurückfahrt kamen die Zusatzsitze im Kofferraum zu Nutze: wir waren 6 Leute im Auto.

Eigentlich wollte ich auch schon im Frühling einen zweiten Rundbrief vom 2. Semester schreiben, habe es aber nicht geschafft. Trotzdem dann mal eine Kurzfassung.

Im 2ten Semester fingen wir im Zeichnen an, Menschen zu zeichnen. Wir haben mit Übungen von Facettenköpfen und einer griechischen Aphrodite begonnen und mussten am Ende einige Porträts und sehr sehr viele Hände und Füße zeichnen (was eine gute übung war).

Mit dem Semester fing für uns auch der Malunterricht an, denn vorigen Semester hatten wir noch Farbentheorie und sowas, das Einleitung zum Malen ist. Wir hatten dieselbe Lehrerin die wir jetzt auch im zweiten Jahrgang als Mallehrerin hatten. Im Früjahr hat sie mit uns mehr Akvarell als traditionelle Akrül- oder Ölfarben gemacht und ich finde, dass es ein leichterer Einstieg ins Malen war als gleich komplizierte Farben zusammenmischen zu müssen.

Ein Fach, das wir im Früjahr hatten, war Formlehre. Da falteten wir allesmögliche aus Papier. Die Lehrerin war eigentlich auch sehr inspirierend, denn sie brachte immer auch Kunstbücher mit, wo man drin blättern und Ideen ausprobieren konnte. Hier die Ausstellung von meinen Werken für dessen Bewertung.

Wir hatten auch im April für eine Woche eine kleine Einleitung in Stoffdesign, wo wir polyester mit Hitze in bestimmte Falten zwangen, Shibori-Färben und Transferdruck machten und Wolle mit Shibori-bindungen gewalkt.

Das große Projekt des Frühlingssemesters war ein Teppichprojekt. Im letzten Rundbrief habe ich davon erzählt, wie wir Teppiche weben, aber das war nur die Einleitung zu dem Projekt. Denn für das Projekt, was eine Gruppenarbeit war, mussten wir uns ein Thema für unsere Gruppe ausdenken und mit den Teppichdesigns in eine gemeinsame Richtung auch gehen. Wir haben uns darauf gestützt, was uns bei den Proben gefallen hat, ich habe zum Beispiel Webmuster weiterentwickelt, die ich aus einer Gewebebindung herleitete. Ich war sehr stolz über die Symmetrie und optischen Effekte. Unsere Dreiergruppe hat ein Meeresthema gewählt, genauer die Sehnsucht, sich im Wasser versinken zu lassen (nicht unbedingt im Sinne von Ertrinken, sondern vom Wasser umgeben zu sein), als Titelbild haben wir die Ophelia von Everett Millais.

Im Sommer war ich auch viel als Model beschäftigt. Ich habe zwei Mal den Runway für die Kollektion „Local Alien“ von India gemacht, die 2 Jahrgänge über mich ist. Wir sind gute Freunde, denn ich war ihr Studentenschatten als ich im Frühling 2023 einen Schnuppertag am Pallas gemacht habe. Die zwei Male waren bei den zwei größeren und bedeutungsvolleren Modeshaus von Estland, Mood Performance Tants (MPT) in Tartu und die ERKI Moeshow in Tallinn.

Auch wurde ich als Fotomodell für eine Endarbeit gefragt, die Frau hat experimentale Strickstücke erschafft, wo die Idee war, das sie ganz intuitiv das alles strickt (mit einer Strickmaschine).

Ich habe auch erzählt, dass ich mich für die Erki Modeschau beworben habe. Daraus ist leider nichts geworden, denn ich bin nicht von der Bewerbungsrunde weiter gekommen. Finde ich aber auch ok. Dieses Jahr will ich mich wieder bewerben, diesmal mit meiner supertollen Autostoff-Kollektion. Vielleicht kollaboriere ich auch mit einer Klassenkammeradin, dann ist es leichter es zusammen zu machen.

Mit lieben Grüßen,
Mari