Dienstag, 6. Februar 2018

Ich las in [Lorenz1964] (51-52) folgende anschauliche Beobachtung aus dem Verhalten der Dohlen:

Die Rangordnungsstreitigkeiten innerhalb einer Dohlenkolonie unterscheiden sich in einem sehr wesentlichen Punkt von denen im Hühnerhof. Hier haben die Ranguntersten nichts zu lachen. In jeder künstlichen Anhäufung nichtsozialer Tiere, und zwar im Hühnerhof wie auch unter den Kleinvögeln in einem Flugkäfig, hacken die hoch im Rang Stehenden besonders gern und wütend auf die Ranguntersten. Ganz anders bei den Dohlen. In der Dohlengemeinschaft sind die Ranghohen, vor allem der „Despot“ selbst, durchaus nicht angriffslustig gegen die, die tief unter ihnen stehen. Nur gegen die, die ihnen im Rang unmittelbar unterstehen, sind sie gereizt (…). So greifen ranghohe Dohlen energisch in den Streit zweier Untergeordneten ein, sobald deren Auseinandersetzung heftigere Formen annimmt. Da der Eingreifende aber immer gegen den jeweils ranghöheren der kämpfenden Partner merkbar reizbarer ist als gegen den im Rang tieferstehenden, so handelt die ranghohe Dohle (…) regelmäßig nach dem ritterlichen Grundsatz: Wo es Stärkere gibt, tritt den Schwächeren zur Seite.

Das deckt sich mit der christlichen Vorstellung von Gott, der eine „merkwürdige Vorliebe für Unterdrückte zu haben scheint“ [Albrecht2013] (14) und dessen Barmherzigkeit nicht Schwäche bedeutet, sondern im Gegenteil seine Allmacht zeigt (Thomas von Aquin via [Zulehner2018] (34))