Montag, 2. Januar 2017

Ja, das Leben geht auch hier sehr schnell. Schon ist das Jahr 2017 da, und ich habe mich noch nicht einmal von 2016 gebührend verabschiedet! Hier nur eine kleine Kostprobe der Dinge, die uns hier bewegen.

Am Weihnachtstag ist Iiris von Lööne gebissen worden. Lööne ist einer von Kristiinas Hunden. Der Biss an sich ist nicht sonderlich schlimm, schlimmer ist die Tatsache, dass Lys Geduldsfaden dadurch gerissen ist. Sie will nicht mehr, dass Iiris weiter zur Sonntagsschule geht, bevor die Sache nicht schriftlich und vor dem Gemeindekirchenrat geregelt ist. Ly fordert, dass Kristiinas Hunde in den Privaträumen bleiben. Wenn Kristiina und Ly sich nicht einigen, werden Iiris und ich nicht mehr zur Sonntagsschule gehen. Die Sonntagsschule bestand sowieso schon nur aus vier Kindern und zwei Eltern. Wenn Iiris und ich abspringen, könnte das das Ende der Sonntagsschule von Vigala bedeuten… Wir dürfen gespannt sein, wie das ausgeht!

Dabei haben wir in Vigala es noch gut, verglichen mit vielen anderen Christen hier in Estland. Unsere neue Präsidentin Kersti Kaljuraid erhitzt die Gemüter, weil sie bei ihrem Amtsantritt auf den traditionellen Gottesdienst verzichtet hat mit der Begründung, dass sie zwar die Kirche wertschätze, selber aber kein Kirchgänger sei. Ich kann es der Frau nicht übelnehmen. Selbst ich habe manchmal Zweifel, ob die EELK mit ihren Prioritäten auf dem richtigen Weg ist. Wie oft sehe ich dort mehr Moralpredigt als Verkündigung des Evangeliums, mehr Konservenkost als Heiligen Geist. Ich sag mir dann „Spucke nicht in den Brunnen, aus dem du trinken willst“, aber woher soll eine zur Sowjetzeit aufgewachsene Bänkerin wissen, wie wichtig eine (aktive und gut funktionierende) Zusammenarbeit zwischen Staat und Kirche für die Moral eines Volkes ist?