Montag, 29. Februar 2016

Gestern fragte ich meine Freude per Rundbrief um ihre Meinung zur geplanten Zusammenlegung der beiden Schulen von Vigala, und prompt kamen 10 verschiedene Rückmeldungen mit wertvollen Denkanstößen. Diese waren richtungsweisend für meinen Think-Tank-Saunaabend mit Hillar, der mich ermutigte, gleich anschließend meinen estnischen Blogeintrag fertig zu schreiben und zu veröffentlichen.

Ich zitiere anonymisiert die (für Vigala) wichtigsten Rückmeldungen, die meine Meinung beeinflusst haben:

Ideen aus Ostbelgien:

  • In der Grundschule Elsenborn werden 3 Jahrgänge zusammen unterrichtet. 1. bis 3. Schuljahr zusammen, und 4. bis 6. Schuljahr zusammen. Die Schule „fördert Kinder mit Lernschwierigkeiten, mit Entwicklungsverzögerungen, mit einer geistigen u. körperlichen Behinderung“ und nennt das „differenzierten Unterricht.

  • Vor einigen Jahren gab es in der Gemeinde Burg-Reuland ähnliche Probleme und Schulen mussten Klassen zusammen legen. Schulprojekt der Gemeinde Burg-Reuland: „In den Kindergärten wird der Unterricht in altersgemischten Schülergruppen durchgeführt. Ähnlich ist es in den Primarschulen, wobei an drei von sieben Standorten vom 1. – 6. Schuljahr gemeinsam gelernt, gelehrt und entdeckt wird; in vier Niederlassungen bilden wir zwei Einheiten, jeweils vom 1. bis 3. und vom 4. bis 6. Schuljahr.“

  • In der Eifel gibt es viele kleine Grundschulen. Manche sind ebenfalls von einer Schließung betroffen. Das hängt mit dem zur Verfügung stehenden Stundenkapital ab, das wiederum von den Schülerzahlen abhängt. Ich kenne Schulen, in denen alle 6 Jahrgänge in einer Klasse, also von einem Klassenlehrer unterrichtet werden. Das stelle ich mir allerdings sehr schwierig vor.

  • Ich unterrichte ein 5./6. Schuljahr, von denen es parallel 4 Klassen (jeweils 22 Schüler pro Klasse) gibt. D.h., dass wir aus pädagogischen und sozialen Gründen Doppelklassen haben. Es wäre zu viel, wenn ich unsere Pädagogik nun hier erklärte. Jedenfalls bin ich von diesem System überzeugt und wünsche mir, niemals eine Jahrgangsklasse zu unterrichten. Unsere Pädagogik basiert auf Peter Petersen (Jena-Plan).

  • BRF-Reportage: Herresbacher wollen ihre Schule retten „Eine Arbeitsgruppe unternimmt Anstrengungen, um die Dorfschule in Herresbach dauerhaft zu erhalten. Weil sie nicht die vorgeschriebene Norm von zwölf Primarschülern erreicht, wurde ihr ein sogenanntes „Gnadenjahr“ eingeräumt. Sollte die Norm auch im kommenden Schuljahr unterschritten werden, muss die Primarabteilung schließen. Dabei sind die Zahlen im Kindergarten vielversprechend.“

  • Gemeindeschule Braunlauf. Eine Freundin hat dort gearbeitet so um das Jahr 2000. Die gesamte Schule, 1.-6. Schuljahr bestand aus ca.12 Schülern.

  • Auf der Website des Ministeriums findest du hierzu nähere Infos: http://www.dglive.be/desktopdefault.aspx/tabid-107/

  • Die Normen zur Aufrechterhaltung einer Schule in der DG sind sehr niedrig, sodass v.a. in der Eifel mehrere kleine Dorfschulen in einer Gemeinde existieren. In Flandern und der Französischen Gemeinschaft sind die Normen höher, ich weiss allerdings nicht wie hoch, kann ich aber rauskriegen falls Interesse. Die Normen zur Aufrechterhaltung in der DG sind mindestens 12 Primarschüler, die aber kurz gesagt alle in dem Ort wohnen müssen (also keine „Importe“ um die Schule zu erhalten), sowie sechs Kindergartenkinder (wobei ein Kindergarten nur zusammen mit einer Primarschule bestehen darf). Die GRÜNDUNGSNORMEN sind allerdings viel höher: mindestens 75 Primarschüler bzw. 25 Kindergartenkinder.

  • Um direkt mit eurer Situation vergleichen zu können, müsste man aber auch schauen, wieviele Kinder von der 1. bis zur 6. Klasse eingeschrieben sind, da unser Schulsystem ja eine Primarschule mit 6 Jahren kennt, und die Schülernormen für das Sekundarschulwesen in der DG viel höher liegen (um dann mit Eurer 7. bis 9. Klasse zu vergleichen).

  • Bzgl. mehrere Jahrgänge in einer Klasse: In der Primarschule hast du aber auch Schulen, wie die SGO Eupen (Schulstraße) die absichtlich aus pädagogischen Gründen zwei Jahrgänge pro Klasse (aber nicht drei) haben, obwohl es von den Zahlen her ohne Probleme eine oder mehrere Klassen pro Jahrgang gibt.

  • Bzgl. Kosten: die Mehrkosten entstehen durch die im Durchschnitt kleineren Klassen (etwas mehr Lehrer) und den Unterhalt von mehr Standorten, die kleinen Dorfschulen teilen sich aber auch normalerweise zu mehreren einen Schulleiter.

  • Meiner Erfahrung nach sind auch in Jahrgangsklassen stärkere und schwäche Schüler. Vor allem hat jedes Kind Fächer, in denen es stärker ist als in anderen. Jeder kann helfen und jedem muss mal geholfen werden. Und dann kommt ja auch die soziale Kompetenz hinzu, und die verschiedenen Charaktere, mit denen man lernt, zurecht zu kommen. Also meine ich, dass der soziale Aspekt (sich gegenseitig zu helfen, Rücksicht zu nehmen, usw.) auch in Jahrgangsklassen nicht zu kurz kommt.

Ideen aus Deutschland:

  • Auch bei uns in der Eifel ist es nun eingetreten. Zuwenig Kinder im Dorf und schon wird im Nachbarort Imgenbroich die Schule geschlossen. Dort kommt jetzt ein Kindergarten rein. Überall wird gespart und, schlimmer noch, Dorfstrukturen werden zerstört. Wir wünschen euch gute Ideen, um dem alles entgegen zu wirken.

  • hier bei uns richtet man sogenannte Flex-Klassen ein, in denen Kinder von Klasse eins bis drei zusammen unterrichtet werden. Was ursprünglich mal geplant war, die Flexibilität zu verbessern und schneller lernende Kinder zu fördern und diese schneller in die 4. Klasse zu entlassen während langsamer lernende Kinder noch mehr Zeit haben, den Stoff in „Ruhe“ zu lernen nutzt man das inzwischen um Lehrer einzusparen. Ursprünglich sollten diese Flexklassen von 2 Lehrern unterrichtet werden. Das gibt es aber so weit ich weiss nicht. So ist es für die Schule eher die Gelegenheit mit einem Lehrer flexibel die Kinder unterzubringen.

  • In einem Fall wie bei Euch würde hier (in Deutschland) wohl einfach eine Schule geschlossen werden. Das ist in unserer Umgebung auch schon in den letzten 10 Jahren passiert. Nun wachsen „völlig überraschend“ die Schülerzahlen wieder, und an den jetzt wenigeren Schulen wird angebaut und ausgebaut. Ein wirkliches Konzept, das sich an den Geburtenraten orientiert kann man nicht erkennen.

  • in NRW ist es inzwischen Standard, dass Klasse 1-4 gemischt werden, auch wenn es mehrzügige Schulen sind! Mehrzügig heißt, man könnte eigentlich für jeden Jahrgang mindestens zwei Klassen einrichten!

  • Köln: Montessori-Schule: Sie haben oft 1.+2. Schuljahr bzw. 3.+4. Schuljahr zusammen. Viele ändern gerade auf 1. - 4. Schuljahr in 1 Klasse mit ungefähr 25 Kindern.

  • Die Regelgrundschulen haben inzwischen übrigens viele Montessori-Elemente augegriffen. Hier ein Bericht von einer Grundschule ganz in der Nähe: GGS Am Höfling: Alle Klassen arbeiten jahrgangsübergreifend

Allgemein:

  • Man könnte in einer Übergangszeit ein Halbjahr in der einen, ein anderes Halbjahr in der anderen Schule unterrichten.

  • ihr wisst gar nicht, was ihr da für einen Schatz habt. Die Lehrer können doch mit kleinen Klassen ganz anders arbeiten, den Einzelnen fördern und auch so geht alles ein wenig netter zu.

  • Wer an der Bildung spart, geht unter, denke ich. Ist ja alles nur meine Meinung aus den Beobachtungen die ich gerade gemacht habe und denen die ich an anderen Schulen schon sammeln durfte.

  • die Kostenersparniss in Estland wäre weniger wegen der Gebäude als wegen der Anzahl der Lehrer! Jahrgangsübergreifender Unterricht wäre also die beste Lösung, muss aber gut mit Materialien und Fortbildungen der Lehrer einhergehen. Ich würde da mal nach Finnland schauen - da kommt die Idee her und könnten die Lehrer sicher mal hospitieren!