Sonntag, 13. April 2014¶
Gestern fand in Pärnu der erste „Kindertag“ der Sonntagsschulen des Kirchenkreises Pärnu statt. Immerhin 80 Kinder.
Ich hatte den Tag mit vorbereitet und habe dort auch eine Bibelstunde gegeben. Genauer gesagt hatte ich die 12- bis 15jährigen Jugendlichen und habe den gleichen Inhalt vor zwei verschiedenen Gruppen gegeben.
Es war das zweite Mal, dass ich so etwas mit Hilfe von Slides tatsächlich als „Bibelstunde“ und nicht als „Gesprächskreis“ mache. Ich habe es zwar auch diesmal nicht ganz lassen können, die Jugendlichen mit allen möglichen Tricks dazu zu kriegen, ihre eigene Meinung zu bilden und mitzuteilen. Zum Beispiel die erste Gruppe hatte ich nach meinem Vortrag gebeten, sich zu jeweils drei Personen zusammen zu setzen mit der Aufgabe „Beschreibe deinen besten Freund“. Wohlgemerkt „Natürlich darf also dein bester Freund, falls der hier ist, nicht in deiner Dreiergruppe sein.“ Das haben die dann auch ganz folgsam getan, sich in Grüppchen gesetzt und… geschwiegen. Zwei Minuten lang peinliche Stille. Bis ich sie wieder zusammenrief und ein paar versöhnliche Worte sagte „Ja ja, das ist nicht leicht, so auf Kommando loszureden und sich einem anderen anzuvertrauen…“ Insgesamt beginne ich einzusehen und mich damit abzufinden, dass das Lernziel „Deine Meinung zählt; sag sie!“ sehr utopisch ist. Zumindest für mich und gerade hier in Estland.
Thema war „Mul on sõber!“ („Ich habe einen Freund!“). In meiner Bibelstunde habe ich also über Freundschaft geredet. Über Freundschaft und über das Fehlen derselben. Habe zum Beispiel den Film „Warum mobben wir? gezeigt. Der ist echt gut gemacht. Der Held dieses Filmes ist ein Junge namens Basti, der Brillenträger und ca. 14 Jahre alt ist und gemobbt wird. Mehr weiss man eigentlich nicht über den Helden, denn der Film ist aus der Sicht dieses Jungen gedreht. Ein geniales Stilmittel, denn das ist ja das Ziel des Films: sich mal in die Lage eines Gemobbten hineinversetzen.
Als ich (in der zweiten Gruppe) nach dem Film fragte „Was meint ihr, gibt es das auch in estnischen Schulen?“, da hörte ich einige „Ja„‚s, die ziemlich betroffen klangen. Also der Film hatte gewirkt.
Als Antwort auf den Film habe ich aus der Bergpredigt zitiert: „Wenn dir jemand auf die linke Wange schlägt, halte ihm auch noch die rechte hin“ und „Liebe deine Feinde“.
Das war freilich starker Toback. Ly, der ich einige Wochen vorher meine Bibelstunde gezeigt hatte, reagierte ganz entsetzt: „Das kannst du doch nicht machen! Du reißt Wunden auf und schmierst dann noch Salz rein! Mobbing ist ein Thema für eine Therapie, das kannst du doch nicht in einer Bibelstunde von 45 Minuten aufreißen!“ Ich denke aber, dass ihre Befürchtung falsch war.
Der Kindertag war schon um 15 Uhr zu Ende. Iiris fuhr mit Hanna im Auto nach Vigala zurück, Mari mit Titta und Triin.
Denn ich selber musste nun weiter zur nächsten Veranstaltung: nach Kehtna zum „Vorsingen“. Das ist was Spezielles, das man sich ausserhalb Estlands nur schwer vorstellen kann. Es geht um das nationale Liederfest, das alle fünf Jahre stattfindet. Das nächste Liederfest ist dieses Jahr am 04. Juli dran. Und Rello nimmt auch teil. Das bedeutet für den Chor, dass wir seit einem Jahr nicht viel anderes tun als das Repertoire einzuüben. Und die Organisatoren dieses Riesen-Events mit 30.000 Sängern müssen ja irgendwie dafür sorgen, dass unter diesen 30.000 nicht zu viele „Touristen“ sind (Leute, die nicht genug geübt haben). Denn das Liederfest ist ja kein Spaß, sondern eine politische Kundgebung. Deshalb dann also zwei oder drei „Vorproben“ (offiziell heisst es „Vorprobe“, aber wir Sänger empfinden es eher als Prüfung und nennen es „Vorsingen“).
Ich habe endlich einen Befehl geschrieben, um Fotos in diesen Blog zu integrieren.