Eine Reise ins Internet¶
18. Oktober 1996. Vielleicht eine Antwort auf die Frage von Leuten aus meinem Freundeskreis, die mal gerne wüssten, wie ich so viel Zeit am Computer verbringen kann, ohne mich zu langweilen.
Freitag abend. Nach den beiden üblichen Chorproben bin ich ein bisschen traurig, weil ich niemanden gefunden habe, mit dem ich Lust zu erzählen hätte. Aber das war sowieso von vorneherein aussichtslos, weil es regnet und ich am liebsten bei einem Spaziergang durch den Wald erzähle. Wer außer mir hat schon Lust auf einen Waldspaziergang im Regen. Ich habe gar nicht erst gefragt…
Nachdem ich mich damit abgefunden habe, setze ich mich an den Computer und will noch mal schnell nachschauen, ob neue e-mail für mich da ist. Nicht, dass e-mail einen Spaziergang mit einem interessanten Menschen ersetzen könnte, aber ich fühle mich ein wenig dazu verpflichtet, weil ich schon mehrere Tage nicht mehr on-line war. Vielleicht liegt ja was ganz Dringendes im Briefkasten…
Okay, war wohl nichts: „no new messages“ sagt mir ein kleines Dialogfenster. Dann kann ich ja schlafen gehen. Aber da fällt mir ein: ich wollte ja schon seit längerem mal nach dem Stichwort „Quinua“ suchen. In letzter Zeit habe ich uns einige Male etwas damit gekocht. Ich erhoffe mir Ideen für neue Rezepte, oder sonstige interessante Hintergrund-Information über dieses Nahrungsmittel.
AltaVista hat mir 138 Dokumente gefunden, die dieses Wort enthalten. Viele davon sind in Spanisch, das interessiert mich weniger.
Ein Verweis in der Liste ist in Dänisch und sieht nach Küchenrezept aus. Außerdem steht ja „/recipes/“ in der Adresse. Also nichts wie hin. Ich treffe auf Dänemarks größtes Internetkochbuch, in dem ein gewisser Morten Knud Nielsen mehr als zweitausend Rezepte gesammelt hat, teils in Englisch und teils in Dänisch. Die dänischen Texte sehen sehr schön aus.
Das Quinua-Rezept an sich interessiert mich schon gar nicht mehr so sehr… so geht mir das oft: ich will im Grunde gar nicht wissen, was man mit Quinoa alles kochen kann. Ich will viel lieber wissen, wo es Rezepte zu finden gibt. Die Information an sich lässt mich kalt; bloß die Art und Weise, wie man an sie rankommt, interessiert mich.
Ich suche weiter in der Verweisliste von AltaVista. Aha: „Cereals. Chenopodium quinoa.“ Das sieht wissenschaftlich aus. Interessiert mich. Klick . Ich lese, dass die Pflanze 2 m groß wird und dass man sie mehrmals gründlich waschen soll, bevor man sie isst (bzw. seinen Hühnern oder Schweinen zu essen gibt), weil die Schale toxische Stoffe („Saponine“) enthält,
Quinoa kann man ja normalerweise im Weltladen kaufen. In Eupen gibt es zwar auch einen Weltladen, aber der ist natürlich nicht auf dem Internet. Im Weltladen von Delft dagegen arbeitet wahrscheinlich ein Computerfreak. Hier gibt es ebenfalls eine kleine Rezeptsammlung, und nebenbei erfahre ich, dass Quinua das vitamin-, mineral-, und sonstnochwashaltigste Getreide der Welt ist und von der NASA sogar schon in Augenschein genommen wird, weil sie ihre Astronauten damit füttern wollen. Quinua kommt aus den Anden, aber die Andenbewohner ernähren sich scheinbar lieber von importierten Getreidesorten, weil das für sie billiger ist: Subsidien und Spenden machen so was möglich. Noch billiger müsste es für beide Seiten doch eigentlich werden, wenn wir wieder tauschen und jeder sein eigenes Getreide verzehrt? frage ich mich etwas hoffnungslos.
Dann merke ich noch, dass die belgischen Weltläden ja eigentlich durch die Homepage von Oxfam Wereldwinkels genügend vertreten sind…
Ich könnte Quinua sogar per Mausklick bestellen auf einer deutschen WWW-Seite vom CVJM Dortmund. Der CVJM Dortmund „lädt junge und ältere, weibliche und männliche, enttäuschte und fröhliche, gelangweilte und tatkräftige, gesättigte und neugierige Leute ein, ihre Freude an gemeinsamen Erlebnissen neu zu entdecken. Der CVJM ist der Christliche Verein junger Menschen und bietet in in seinem Haus in Dortmund an der B 1, Westfalendamm 33, offene Freizeitangebote und Gruppentreffen an.“
Diese Seite interessiert mich jetzt schon gar nicht mehr wegen des Quinua, sondern weil das vielleicht etwas ähnliches wie unser Haus Ephata ist. Muss ich mir bei Gelegenheit mal näher anschauen. Vorerst genügt mir mal wieder das bloße Wissen, zu wissen wo sie ist…
Okay. Aber morgen muss ich früh aufstehen, weil mal wieder viel auf dem Programm steht. Also gehe ich jetzt besser ins Bett. Wie die Zeit vergeht. Vor kurzem war es noch nicht 10 Uhr, und jetzt ist es schon nach Mitternacht.