Osterrundbrief

Sonntag, 12. April 2020.

Hallo Freunde,

frohe Ostern! Hier ein paar aktuelle Fotos aus unserer Küche. Insbesondere auf Anfrage meiner Mutter, die die Quarantäne im Eupener Josephsheim ganz tapfer durchhält.

Kurz vor dem Mittagessen waren Mari und ich zum Gottesdienst in die Kirche gegangen. Eigentlich war es kein Gottesdienst, denn die sind wie jede öffentliche Veranstaltung verboten, sondern es hatten sich rein zufällig zehn Leute eingefunden, als die Pastorin ganz für sich und ihre Mutter Gottesdienst abhielt. Kristiinas Predigt war heute besonders traditionalistisch, also nicht ganz meine Richtung, aber so ist das ja mit den Christen: die haben recht unterschiedliche Geschmäcker und Weltanschauungen.

Heute Morgen früh, als meine Frauen noch schliefen, las ich einen Artikel darüber, dass Präsident Trump im März auf einer internen Beratung den leitenden Arzt der medizischen Beratergruppe gefragt hatte „Wieso können wir diese COVID nicht einfach übers Land wischen lassen?“. Besagter Arzt antwortete erschrocken „Herr Präsident, dann würden viele Menschen sterben“. Auf Reddit gibt es dazu tausende entsetzte Kommentare, die Trumps grobe Fahrlässigkeit verurteilen. Aber ich dachte: Zum ersten Mal stellt dieser Mann eine Frage, die auch ich mir stelle. Und die Antwort des Arztes und die Kommentare der Leser zeigen mir vor allem eines: Mein Gott, was für eine Panik die Menschen doch kriegen beim bloßen Gedanken an den Tod! Der bloße Gedanke, dass man Tod sowieso letztlich hinnehmen muss und dass man eine Pandemie auch einfach nur vorüberziehen lassen könnte, ist tabu. Die WHO und die medizinische Industrie ist zum Gott geworden. Und diese Vergötterung macht mir mehr Sorgen als ein wütender Virus. Eine Pandemie tut eine Zeitlang weh, aber Sklaverei dauert dein ganzes Leben. Also ich werde diesen Gott nicht anbeten. Deshalb gefällt mir Trumps freche Blasphemie ausnahmesweise (siehe auch Nachtrag). Ich weigere mich, einen Glauben zu kultivieren, durch den eine kleine Gruppe Privilegierter eine Menge Geld verdient. Ich will einen Glauben kultivieren, in dem Liebe mächtiger als Geld ist und der Tod nicht das Ende. Lustig, dass ich diese Nachricht just am Ostermorgen las. Ob ihr es glaubt oder nicht: ich wünsche uns allen wirklich frohe Ostern und Schluss mit der panischen Angst vorm Tod.

Selbst falls ihr meinen Gedanken über Vergötterung der medizinische Industrie zum Teil zustimmen solltet, müsstet ihr logischerweise fragen „Aber was willst du denn dagegen tun?“ Erstens ich alleine schonmal gar nichts. Aber davon abgesehen kann ich es ja immer noch nicht lassen, meine Pläne zur Rettung der Welt zu veröffentlichen und höre oder lese gerne eure Kritiken und Rückmeldungen und versuche sie zu verdauen. Aber bedenkt auch, dass das alles letztlich nur das Gebrösel eines Hobbyphilosophen ist und bleiben wird.

Themenwechsel. Ich habe mir endlich mal Zeit genommen, alle Fotos der letzten Monate zusammen zu kratzen und in unser Familienalbum zu setzen. Hier also ein paar Einblicke in unser Familienleben der letzten drei Monate.

Zweimal fuhr ich mit Iiris zu einer Art Jugendchor der Baptistengemeinde von Keila (Kleinstadt bei Tallinn).

Zwischendurch hatten wir im Februar mal ein bisschen Winter.

Kurz vor Beginn der Corona-Ausnahmesituation trat Iiris erstmals ganz öffentlich auf in der Rootsi-Mihkli-Kirche, und wir machten einen Familienausflug mit Sune, Suigu, Siim, Sulev und Kadri.

Auch das erste Vorbereitungsseminar der Bibelleselagerleiter war noch vor der Krise.

Das Hotel „Hermes“ neben unserer alten Wohnung ist abgerissen worden. Diese Arbeiten gingen trotz Corona weiter und wir hatten einen Logenplatz.

Im Februar begannen wir mit der Renovierung unserer neuen Wohnung. Auch dieses Projekt wurde durch die Krise nicht gebremst. Eine Überraschung war der Wärmekasten des Küchenherdes, der eine neue Außenwand brauchte.

Iiris ist 12 geworden und Mari 18, und beide Geburtstagsfeiern mussten leider ohne Freunde stattfinden.

Falls du dich wunderst, weshalb ich in letzter Zeit kaum mehr Fotos mache: meine kleine Sony Cyber-shot ist nach einigen Jahren treuem Dienst alt geworden… Objektiv zerkratzt, die Speicherkarte macht Zicken, … und es scheint, dass solche Kameras kaum noch gekauft werden, weil ein Handy den gleichen Zweck ebenso gut erfüllt. Zumindest ein Handy mit guter Kamera. So eines habe ich nicht. Also müsste ich ein neues kaufen. Aber wenn ich dann bedenke, dass ich für das gleiche Geld das Material für zehn Getreidespeicher aus lokalen Baustoffen in Tansania kaufen könnte, dann fällt mir die Entscheidung schwer.

So, und jetzt geh ich mal wieder in unser Familienleben zurück. Liebe Grüße von uns allen!

Nachtrag

Ojemine, in was für ein Fettnäpchen bin ich da wieder getreten! Musste ich denn unbedingt meinen Kommentar schreiben?! Scheinbar ja, denn immerhin ist die Koronakrise ein wichtiges Thema, das uns alle betrifft, und wenn ich nicht riskiere, ins Fettnäpchen zu treten, kann mir niemand erklären, wo mein Denkfehler liegt. Danke insbesondere an Hugh.

Also ich muss mir mal wieder selber widersprechen. Sorry falls ich jemandem auf den Zeh getreten bin. Statt die Weltgesundheitsorganisation zwischen den Zeilen zu bezichtigen, sie sei von der medizinischen Industrie kontrolliert oder versuche Gottes Rolle einzunehmen, sollten wir lieber dankbar dafür sein, dass es so eine weltweite demokratisch geführte Organisation überhaupt gibt, und dass die es schafft, ungefähr drei Milliarden Menschen dazu zu bewegen, mal mit ihrer hektischen Aktivität innezuhalten und nachzudenken. Corollaire: dass ein Staatspräsident aus New York es schafft, ins gleiche Fettnäpfchen zu treten wie ein Hoppyphilosoph aus Eupen, das beschämt den Staatspräsidenten und entlastet den Hobbyphilosophen.

Zu den anderen Gedanken meines Rundbriefs stehe ich weiterhin, insbesondere zu meiner Warnung vor Vergötterung der medizinischen Industrie, die möglicherweise bis hin zur WHO Schaden anrichtet.

Davon abgesehen hatte ich meine eigentliche Antwort auf die Frage „Was willst du denn dagegen tun?“ vergessen. Meine Antwort an mich und jeden einzelnen lautet: Liebe Gott und deinen Nächsten, und dann tu dein Bestes, nicht mehr und nicht weniger. Das ist eine Mischung aus Matthäus 22,37-40, Augustinus von Hippo und Robert Baden-Powell mit etwas Senf von mir.