Das Schuljahr hat begonnen

Sonntag, 1. Oktober 2017

Hallo Freunde,

diesen Rundbrief verdankt ihr Dagmar, die vor einigen Tagen fragte, wie es uns geht. Kurze Antwort: Danke, gut :-) Und übrigens habe ich mal wieder eine Reise nach Eupen gebucht: vom Mo 30.10. bis Mo 13.11.2017 werde ich zwei Wochen lang Kunden besuchen und viel arbeiten und viel bei meiner Mutter sein, die Anfang September wieder ins Altenheim gezogen ist, wie es scheint diesmal definitiv.

Eine ausführliche Antwort auf die Frage, wie es uns geht, wird es wohl frühestens geben, wenn ich mal pensioniert bin. Aber hier jetzt ein etwas längerer Einblick.

Mit dem September hat der Schulalltag wieder begonnen, für Iiris in Vigala und für Mari in Tallinn. Ly probiert neue Einlegemethoden, arbeitet an einem neuen Kunstwerk aus Ton und an Plänen für die Hiis-Scheune. Ich arbeite wie immer an Lino, zur Zeit hauptsächlich für ein Projekt, das bis Ende September in einem Eupener Theapiezentrum benutzbar werden soll. Im Garten fallen derweil die Äpfel von den Bäumen und ich werfe gelegentlich die meisten davon auf den Kompost.

Maris Klasse hatte diese Woche ihre Austauschklasse aus Lorch zu Gast. Mari hatte sich sehr gefreut auf auf Ines, deren Gast sie im Frühling gewesen war und die nun bei ihr zu Gast war. Vorigen Montag fuhr ich mit Mari und einer Klassenkameradin zum Flughafen, um deren Gäste abzuholen. Mit zwei jungen Mädchen hin und mit vieren zurück. Ich konnte nicht umhin, an das Lied Hab mein‘ Wagen vollgeladen zu denken…

Als wir am Flughafen warteten, sah ich nach fast zwei Jahren erstmals Maris Klassenlehrerin wieder. Ly und ich haben kaum Kontakt mit Maris Lehrern. Anfangs hatte ich deswegen ein schlechtes Gewissen, weil wir hier im Dorf ja jeden einzelnen Lehrer persönlich kennen. Wie soll Schule funktionieren, wenn die Eltern keinen Kontakt zu den Lehrern haben? Dachte ich. Aber Ly beruhigte mich: das sei normal in den großen Stadtschulen und überhaupt in diesem Alter. Offenbar hat sie Recht. Im Vorfeld der Austauschwoche hatte die Klassenlehrerin vorgeschlagen, an einem Abend auch die Eltern zu einem gemeinsamen Essen einzuladen. Als sie dann in der Klasse fragte, wessen Eltern das gut gefunden hätten, war unsere arme Mari die einzige, die die Hand hob.

Weil ich am Dienstag an einem Informationstag teilnahm, blieb ich noch eine Nacht lang bei Mari und Ines in Tallinn. Danach überließ ich die beiden bis Freitag der Obhut von Maarja und Sean. Maarja und Sean sind ein frischvermähltes Ehepaar: eine Enkeltochter von Lys Stiefmutter, die nach einem Jahr in Australien in ihre Heimat zurück gekommen ist, inklusive Australier, und jetzt mit diesem nach einer passenden Wohnung sucht. Als wir von Maarjas Rückkehr hörten, hatten wir unsere Stadtwohnung sogleich als vorübergehende Immigrantenunterkunft angeboten. Das war nicht ganz selbstlos, denn für uns ist es beruhigend zu wissen, dass Mari nicht alleine in der Wohnung ist. Wir sparen also ein wenig Fahrtkosten, solange die beiden noch keine Wohnung haben.

An besagtem Informationstag nahm ich wegen Lino teil. Dort saßen 5 Softwarehersteller und 150 Buchhalter in einem Raum, mit Vertretern des Steueramts und der drei großen Banken Estlands, und sprachen über Themen wie das Erfassen von Kassenzetteln als Einkaufsbelegen, E-Invoicing, Zahlungsaufträge, Kontoauszüge bis hin zu Software-Robotern als potentielle Lösung für Datentransfer zwischen dem Buchhalter und seinen Kunden. Estland ist in diesen Bereichen den anderen EU-Ländern um eine Generation voraus. Also ich habe mich nicht gelangweilt. Bericht des Veranstalters (in Estnisch) und Fotos

Heute war dann auch die erste Sonntagsschulstunde hier in der Gemeinde. Eine Zehnjährige (Jandra) kommt nicht mehr, eine Dreijährige (Lenna) ist neu dabei, ansonsten wird es bei uns auch im anstehenden Schuljahr recht familiär zugehen. Die kleine Gruppe flackert seit Jahren an der Überlebensgrenze, aber die Begeisterung der Kinder ermutigt uns immer wieder weiter zu machen, und nach jeder Gruppenstunde spüren uns, dass es sich gelohnt hat. Auch heute war es nicht anders. Wie schön, dass Mari und Ines mit dabei waren: die beiden Jugendlichen machten die familiäre Zusammensetzung perfekt: von 3 bis 49 Jahren waren alle Altersgruppen recht gleichmäßig vertreten. Einmal sagte ich seufzend zur Pastorin „Ach, wenn wir nicht so sicher wüssten, dass wir das wollen, dann würden wir uns die Arbeit sparen.“ Damit meinte ich natürlich nicht die schönen Momente mit den Kinden, sondern die traurige Tatsache, dass so viele Kinder es verpassen und es so schwer ist, die Menschen in Vigala für Jesus zu begeistern.

Liebe Grüße aus Vigala und Tallinn!

Luc mit Ly, Mari und Iiris