Nicht traurig

Mittwoch, 2. November 2016. Gestern haben wir die Auferstehungsmesse vorbereitet, die morgen stattfinden wird.

Ich habe jetzt mal meine Gedanken sortiert. Vielleicht werde ich das eine oder andere davon in der Messe vorlesen.

Begrüßung

Nein, im Grunde bin ich nicht traurig, dass mein Vater gestorben ist. Auch meine Mutter und Geschwister nicht. Auch mein Vater wahrscheinlich nicht. Wir alle sind im Grunde froh, dass er es hinter sich hat. Schon seit März oder April war klar, dass er seine letzte Reise angetreten hat und es von jetzt an nur noch bergab gehen kann. Wir hatten also mindestens ein halbes Jahr, um stückchenweise Abschied von ihm zu nehmen. Sogar das Sterben hat mein Vater taktvoll und bescheiden hingekriegt.

Danksagung

Wir sind vor allem dankbar. Während 52 Jahren haben meine Eltern uns Kindern geholfen, unser Leben auf dieser Erde aufzubauen.

Mein Vater war ein liebenswürdiger Mensch. Es fiel niemandem schwer, ihn gern zu haben. Er blieb stets freundlich. Wenn du etwas tatest oder sagtest, das ihm missfiel, dann warf er dir das nicht gleich an den Kopf, sondern erklärte dir die Sache später, bei Gelegenheit. Wenn es denn der Rede wert war. Denn viele Kollisionen erweisen sich ja als nichtig, wenn man mal in Ruhe drüber nachdenkt.

Wir können unserem Vater jetzt nicht mehr persönlich begegnen, aber wir Kinder werden ihn bis an unser eigenes Lebensende im Herzen tragen. Er hat uns viel Gutes vorgelebt: bewusste Bescheidenheit, geduldiges Engagement, Ehrfurcht vor den kleinen Dingen, die Wichtigkeit der Stille, die Liebe zur Natur, die Fähigkeit, Ruhe bewahren zu können, Diskretion und Demut…

Gott, ich danke dir für diesen Menschen. Nimm ihn auf in den Himmel zu den Scharen aller Heiligen, wo er dein Angesicht schauen darf in ewigem Frieden. Amen.

Fürbitten

  • Für die Menschen, die um unseren Vater trauern. Sei du ihnen Trost, der sie aufrichtet und ihnen hilft, inneren Frieden zu finden.

  • Für alle Väter und Mütter, die den Tod eines ihrer Kind miterleben mussten. Schenke ihnen Lebensmut in der Hoffnung auf die Auferstehung.

  • Für die Menschen, die keine eigene Kinder haben. Zeige ihnen die vielen geistigen Kinder, die ihres Engagements bedürfen.

  • Für die Menschen, die nach der Wahrheit suchen und sich darum bemühen, das Wissen der Menschheit zu klassieren und für kommende Generationen zu erhalten. Hilf ihnen, nachhaltige Methoden zu entwickeln.

Schlussgebet

Freilich ist der Tod eines Menschen etwas, das uns aus dem Alltag reißt. Es erinnert uns an die Endlichkeit aller menschlichen Träume und Projekte. Im täglichen Leben vergessen wir die allzu oft.

Ich habe in den letzten Jahren meine Mitmenschen gelegentlich spaßeshalber mit direkten Anspielungen auf die Möglichkeit des Todes erschreckt. Zum Beispiel dass ich bei einer allzu sicher formulierten Terminzusage hinzufüge „Wenn wir dann noch leben“. Das war offenbar im Rahmen meiner midlife crisis. Und dann amüsierte ich mich, wenn der andere schon bei der bloßen Erwähnung der Möglichkeit eines plötzlichen Unfalltodes erschrak. Ich gebe zu, das ist schwarzer Humor, und ich habe auch schon erfahren, dass solche Scherze nicht immer angebracht sind. Aber ich habe nicht vor, mir das wieder abzugewöhnen und behaupte, dass solche Scherze bei mir immer absolut wohlgemeint sind.

Ich finde, dass es eine gute Geistesübung ist, sich gelegentlich die Möglichkeit des eigenen Todes ins Bewusstsein zu rufen.

Die Gretchenfrage dabei ist letzten Endes: Gibt es außerhalb der wissenschaftlich sichtbaren Welt noch ein Reich Gottes, in das wir durch den Tod hineingeboren werden? Der Atheist glaubt Nein, der Christ glaubt Ja.

Was mich betrifft, sehe ich in der Natur so viele Beispiele von Dingen, die „sterben“ und in einer neuen, „ihnen zuvor unvorstellbaren“ Welt wieder auferstehen. Ein Fötus im Muttterleib. Oder ein Samenkorn in der Erde. Ich sehe keinen Grund, wieso gerade die für uns sichtbare Welt eine Ausnahme sein soll.

Es gibt also berechtigten Grund zur Hoffnung. Wer diese Einsicht nicht nur im Kopf, sondern auch in seinem Herzen trägt, der ist erlöst von der Angst vor dem eigenen Tod.